«I ha ke Bock uf di, i ha grad ke Bock uf di», singt Rapper Nemo und hüpft dabei über die Bühne des Gurtenfestivals. Eine Szene, die man in der Regel im Publikum erlebt. Oder später als Betrachter von Handyfilmchen aus dem Internet. Neben dem Bieler auf der Bühne zu stehen, ist hingegen ungewohnt.
Radio SRF 3 macht den Perspektivenwechsel mit einem 360-Grad-Video möglich. Virtuell am rechten Bühnenrand stehend kann man sich darin um die eigene Achse drehen: von der Band zu Rapper Nemo, weiter zu den Fans und über die Boxen zurück auf die Bühne.
Mit einer speziellen Virtual-Reality-Brille reicht es aus, wenn man dafür den Kopf dreht. Am Smartphone oder Tablet schwenkt man das Gerät, am Computerbildschirm zieht man die Maus. Dieses virtuelle Gefühl, mittendrin zu sein, sorgt für Verblüffung und lässt traditionelle Fernsehbeiträge alt aussehen.
Neben Konzertmitschnitten bietet SRF auf der Videoplattform Youtube eine breite Palette an 360-Grad-Videos an: vom Besuch am «Bestatter»-Set über Kurzkrimis bis hin zum Einblick ins Mittelalter (www.srf.ch/sendungen/srf360/uebersicht). Gefilmt werden die Videos mit mehreren an einem Stativ befestigten Kameras, die in alle Richtungen blicken. Anschliessend werden die Aufnahmen am Computer «zusammengenäht», um ein intuitives Rundumerlebnis zu generieren.
Dokus über Auschwitz oder Tschernobyl
Beim Westdeutschen Rundfunk Köln (WDR) sieht man Zusatzangebote im Netz (www1.wdr.de/virtual-reality-uebersicht-100.html) als Experimentierfeld, wie der Leiter des Programmbereichs Internet Stefan Moll sagt: «Wir loten neue Wege aus und versuchen, dem Zuschauer zu einem Erlebnis zu verhelfen, das im Fernsehen so nicht möglich wäre.» Etwa mit düsteren 360-Grad-Dokus von den Attentaten in Berlin und Paris. Gerade im Bereich Bildung eröffne die Technik neue Wege zum Publikum. «Und wir können Nutzen stiften, den wir zweidimensional oder per Audio nicht bieten könnten», sagt Moll über die Möglichkeiten der Vermittlung per Virtual Reality. Videodokus über das KZ Ausschwitz oder Tschernobyl nach der Atomkatastrophe beweisen das eindrücklich. Die «WDR Zeitkapsel» (zeitkapsel.wdr.de) lädt aber auch zu einer Virtual-Reality-Zeitreise in die 1960er-Jahre – Gespräche über «neue heisse Bands» wie die Beatles inklusive.
«Immersion» lautet das Zauberwort, das im Kontext solch neuer Erzählformen immer wieder fällt. Es steht für ein Eintauchen des Zuschauers in die virtuelle Realität. Dasselbe Schlagwort wird auch im Herbst fallen, wenn der WDR die «Kriegskinder»-App veröffentlicht. Diese Augmented-Reality-Anwendung ergänzt in Echtzeit das Bild, welches die Smartphone- oder Tablet-Kamera einfängt. So nehmen Zeitzeugen im Wohnzimmer Platz und blicken auf den Zweiten Weltkrieg zurück, während Kampfflugzeuge über ihre Köpfe donnern.
Was dazu nötig ist
360-Grad-Filme sind am einfachsten in der kostenlosen Youtube-App auf dem Smartphone oder Tablet zu sehen. Durch das Bewegen des Geräts im Raum lässt sich der Blickwinkel intuitiv ändern. Alternativ können Videos auch am Computer geöffnet und mit Maus oder Pfeiltasten gesteuert werden. Richtig eintauchen lässt es sich mit Kopfhörern und einer speziellen – aber teuren – Virtual-Reality-Brille. Günstige Alternative dazu ist Google Cardboard; eine Kartonhalterung zum Selberbauen, in der das Smartphone zur VR-Brille wird (vr.google.com/cardboard).