Die Ware Liebe
Trostlos und von trauriger Komik: In seinem Spielfilm «Paradies: Liebe» wirft Ulrich Seidl einen bösen Blick auf das Phänomen Sextourismus. Hier ist die Liebe käuflich.
Inhalt
Kulturtipp 08/2013
Urs Hangartner
Teresa (Margarethe Tiesel) ist eine 50-jährige, füllige, alleinerziehende Österreicherin. Sie erfüllt sich ihren Ferienwunsch und reist nach Kenia in das Touristen-Resort «Flamingo Beach». Sonne, Palmen, Strand. Das Programm: Ein folkloristischer Begrüssungschor singt, ein modern-exotisch gewandetes Abendunterhaltungsorchester spielt zur ungestimmten Gitarre «La Paloma», der Resort-Animator wartet mit läppischen Pool- und anderen Spielen (...
Teresa (Margarethe Tiesel) ist eine 50-jährige, füllige, alleinerziehende Österreicherin. Sie erfüllt sich ihren Ferienwunsch und reist nach Kenia in das Touristen-Resort «Flamingo Beach». Sonne, Palmen, Strand. Das Programm: Ein folkloristischer Begrüssungschor singt, ein modern-exotisch gewandetes Abendunterhaltungsorchester spielt zur ungestimmten Gitarre «La Paloma», der Resort-Animator wartet mit läppischen Pool- und anderen Spielen («Sandalenboccia») auf. Diese Art Tourismus ist schon trostlos genug.
Am Strand warten die jungen einheimischen Männer. Einige von ihnen sprechen rudimentäres Deutsch, wenn sie den Touristinnen allerhand Klunker andrehen. Sie bieten sich aber auch selber an, als «Beachboys», die den Frauen aus dem Norden Liebe gegen finanzielle Gefälligkeiten versprechen. Inge (Inge Maux) hat schon Erfahrung und schwärmt in ihrem österreichischen Dialekt: «Die Haut musst du riechen von die Neger.»
Inge ist eine «Sugarmama» und stellt ihren jungen dunkelhäutigen «Freund» vor («des is mei Betthupferl»). Enttäuschungen, wie sie sie in ihrem bisherigen Leben hat erleben müssen, kennt sie hier offensichtlich keine. «Immer hab ich mich den Männern anpassen müssen. Jetzt nehmens mi, so wie i bi.» Inge kann es Teresa nur empfehlen, sich doch auch einen «Beachboy» zu nehmen.
Und auch Teresa erliegt ihrem Sehnsuchtsdrang und beginnt eine vermeintliche Liebesbeziehung, bei der sie penibel praktische Instruktionen formuliert («not too much mit der Zunge», «nicht zwicken»). Die jungen Männer parieren. Und wollen Geld. Für das kranke Baby der Schwester. Für die Schule. Für den verunfallten Bruder. Einer beklagt sich: «My papa is sick and you give me kein Geld.»
Trostlosigkeit der Liebe
Teresa hat Geburtstag und erreicht ihre Tochter daheim nicht. Trost bietet ihr das Geschenk ihrer drei Ferienfreundinnen: Es ist ein echter Striptease – und mehr. Der nächtliche «Beachboy» versagt, weil er die gewünschte Liebestechnik nicht beherrscht.
Es geht Seidl in «Paradies: Liebe» um die Trostlosigkeit der Liebe, die keine wirkliche sein kann. Es geht um Geld, mit dem man Liebe geben und Liebe bekommen kann. Sextourismus ist ein anderes Wort für Prostitution. Diese Liebe ist definitiv keine Himmelsmacht. Und dieses Ferienparadies die Hölle. Fragen, die dieser abgrundtief traurige und zugleich komische Film stellt: Wer sind die Opfer, wer die Täter? Wer beutet hier wen aus?
Wie immer bei Seidl erscheint das Gespielte, als wärs eine Dokumentation. So schonungslos nah, direkt und ungeschminkt filmt er. Diesmal hat er mit Profischauspielerinnen und Laien (den echten «Beachboys») gedreht. Alles scheint wie echt. Am Ende bleibt als Wahrheit: Dies hier ist die Ware Liebe.