Die verklärte Kunst des Flamen Fernand   Khnopff
Das Kunstmuseum Bern zeigt eine Schau über den «Symbolismus und die Schweizer Künstler» unter dem Titel «Mythos und Geheimnis». Der <br />
belgische Künstler Fernand Khnopff prägte diese Bewegung massgeblich mit.
Inhalt
Kulturtipp 09/2013
Rolf Hürzeler
Welch absurde Zärtlichkeit! Die Schmusekatze schmiegt sich als Raubkatze an einen sanften Jüngling: «Die Kunst oder Liebkosungen oder die Zärtlichkeit» heisst das Ölgemälde des belgischen Künstlers Fernand Khnopff (1858–1921; Bild rechts). Das Werk ist beispielgebend für den Symbolismus, der Ende des 19. Jahrhunderts zu den wichtigen europäischen Kunstbewegungen gehörte.
Dieses Bild ist Teil der Ausstellung «Mythos und ...
Welch absurde Zärtlichkeit! Die Schmusekatze schmiegt sich als Raubkatze an einen sanften Jüngling: «Die Kunst oder Liebkosungen oder die Zärtlichkeit» heisst das Ölgemälde des belgischen Künstlers Fernand Khnopff (1858–1921; Bild rechts). Das Werk ist beispielgebend für den Symbolismus, der Ende des 19. Jahrhunderts zu den wichtigen europäischen Kunstbewegungen gehörte.
Dieses Bild ist Teil der Ausstellung «Mythos und Geheimnis», die das Berner Kunstmuseum zeigt. Die Schau setzt Schweizer Künstler in Beziehung zu ausländischen Wegbereitern des Symbolismus. Zu sehen sind Werke von Ferdinand Hodler, Arnold Böcklin, Giovanni Segantini sowie den Ausländern Gustav Klimt, Franz von Stuck und eben Fernand Khnopff.
Der Geheimnisvolle
«Sphynx» heisst in der Mythologie die Verbindung von Raubkatze und Mensch. Es handelt sich um ein höheres Wesen, das sich der Realität entzieht. Und genau so verstand Khnopff die Kunst: Er verklärte sie zu etwas Unerklärlichem jenseits des menschlichen Verstandes. «Die Kunst muss das Geheimnisvolle hinter dem Sichtbaren erkennbar machen», schrieb Khnopff.
Der Flame war ein eigenartiger Zeitgenosse. Er wuchs in einem Schlösschen bei Brügge auf in wohlbehüteten Verhältnissen und blieb mit Unterbrüchen bis zum 44. Altersjahr in der Obhut seiner Mutter. Seine Schwester Marguerite war ihm liebstes Modell, die beiden standen in einer innigen Verbindung.
Fernand Khnopff studierte zuerst Recht in Brüssel, wechselte jedoch nach kurzer Zeit an eine Kunstakademie. Ein Besuch in Paris im Jahre 1877 prägte ihn schliesslich wie viele seiner Zeitgenossen. Er stand im Bann von Eugène Delacroix, Gustave Moreau sowie den beiden Briten Dante Gabriel Rossetti und
Edward Burne-Jones.
Khnopff traf mit seinen Bildern den Zeitgeist genau: Intellektuelle stellten den Fortschrittsglauben des 19. Jahrhunderts infrage, die Entmenschlichung der Industrialisierung war besonders in den Städten greifbar: «In dieser Wertkrise wurde das Subjekt zum einzigen Bezugspunkt für die Wahrnehmung der Wirklichkeit», konstatiert der belgische Kunsthistoriker Michel Draguet im Katalog der Berner Symbolismus-Ausstellung.
Flucht in Traumwelt
Khnopff wurde zu einem anerkannten Künstler des gebildeten Bürgertums. Man erkannte sich in der Symbolik seiner Kunst wieder. Diese war alles andere als revolutionär, eher schon reaktionär: Fernand Khnopffs Symbolismus verlangte nach keiner Veränderung der Gesellschaft, sondern verlockte zur Flucht in eine Traumwelt. Diese wiederum war Khnopff zeitlebens wichtig; er schöpfte angeblich seine Inspiration aus dem Schlaf. Er verehrte dessen Gott «Hypnos». Und dieser gönnte ihm offenkundig ein aussergewöhnliches malerisches Talent.
Prägende Figur
Der Symbolismus erfasste neben der Kunst die Literatur, die Musik und Architektur. Im Fall von Khnopff bedeutete dies, dass er sich in Brüssel ein exzentrisches Haus bauen liess mit einem grossen weissen Turm und einem aufgemalten Fenster. Das Anwesen wurde nach seinem Tod 1921 niedergerissen.
Was wirklich in Khnopffs Innern vor sich ging, wird ein Geheimnis bleiben. Seine Familie vernichtete alle Aufzeichnungen. Am ehesten findet man über den französischen Okkultisten Joséphin Péladan Zugang zu seiner Geisteswelt. Dieser war ein Mitbegründer des obskuren «Kabbalistischen Rosenkreuzordens», dem sich Grössen wie die Komponisten Claude Debussy und Erik Satie zuwandten. Péladan selbst fand zwar in späteren Jahren zu einer rationaleren Weltsicht zurück. Doch Khnopff blieb Zeit seines Lebens im Unerklärlichen verhaftet.
Das tut seiner malerischen Leistung keinen Abbruch. Khnopff war eine prägende Figur des Symbolismus, der die vorletzte Jahrhundertwende künstlerisch mitgestaltete.