Achim Parterre
Leben und Sterben im Emmental:
Die Leiche am Anfang liegt im Strassengraben des Emmentaler Dorfes Gäziwil. «I sim Schädu es grosses Loch» – wieso musste der alte Ramseier sterben? Diese Frage beantwortet Autor Achim Parterre im Mundartroman «Tschüss zäme!». Parterre («Die Gebirgspoeten», «Morgengeschichten» auf Radio SRF 1) hat ihn so geschrieben, wie die Menschen reden auf dem Berner Land: «Bärndüütsch», kunstvoll-ungekünstelt, die Typen träf zeichnend. Alles idyllisch, wenn nicht der Tote wäre.
Das Personal im «Dorfkrimi»: Der liberale Grossrat Montbaron, die – ebenfalls liberale – Lokalpolitikerin Isenschmid mit kantonalen Ambitionen, Dorfcoiffeur Jean-Louis, Angestellte des Bauamtes, der ehemalige Dachdecker und hoffnungsvolle Weinhändler Bärnhard, Anwalt Isenschmid, Gatte der Politikerin, Marie-Claire, die 82-jährige Wirtin in der Dorfbeiz «Les Amis» – und Isenschmids Hund Shakira.
Es kommt alles an den Tag: Ein «Hundehuufe», gefunden auf dem Waldlehrpfad, aufbewahrt im Tupperware; im besseren Quartier seit Jahren illegal deponierte «Ghüderseck»; Insiderwissen, das vor Steuerbehörden warnt; happige Finanztransaktionen vom Emmental auf die Cayman Islands. Alle im Dorf scheinen in den einen Fall verstrickt, miteinander verbandelt, die einen erpressbar, die andern masslos fordernd. Am Ende geschieht Recht. Aber ist es auch Gerechtigkeit? (hau)
Achim Parterre
«Tschüss zäme! Ein Dorfkrimi»
80 Seiten
(Cosmos 2013).
Lesung:
Sa, 13.4., 19.00
Kellertheater Katakömbli Bern
Stefan Naglis
Mord im Ferienparadies:
Eigentlich wollte der Zürcher Privatdetektiv David Klein nach seiner Scheidung und seinem Alkoholentzug in einem lauschigen Hotel an der italienischen Küste Kräfte tanken. Doch da verschwindet die junge Gattin eines wohlhabenden Gastes. Klein macht sich auf die Suche und gerät dabei selbst in grösste Schwierigkeiten, als im Hotel ein Mann getötet wird. Nur seine Ferienbekanntschaft Anna hält zu ihm.
In «Der Schrei der Möwe» verzichtet der Zürcher Autor und IT-Spezialist Stefan Naglis auf das Internet als Ermittlungsquelle und setzt auf altertümliche Methoden. Naglis bedient so manches Klischee: So wähnt sich die Leserschaft in einem Arztroman, wenn die schöne ehemalige Krankenschwester Anna jeweils mit einem Arztkoffer bereitsteht, nachdem ihrer neuen Liebe wieder einmal eins über die Rübe gezogen wurde. Durch Originalität besticht der Krimi – auch sprachlich – nicht: Aber er bietet einfache, spannende Unterhaltung im Ferienambiente. (bc)
Stefan Naglis
«Der Schrei der Möwe»
376 Seiten
(Pendragon 2013).
Claude Lachat
Sündenpfuhl Basler Polizei:
Hochrangige Führungsmitglieder der Basler Polizei sind mit der italienischen Mafia verbandelt. Einer treibt es etwa bunt mit kleinen Mädchen. Ein anderer zieht gerne mal eine Linie weisses Pulver in die Nase. Und wenn den Hütern des Gesetzes ein Dritter in den Weg kommt, schlagen sie ihn kurz und klein, dass es eine Art hat. Natürlich steckt auch ein Politiker in der Sache drin, hinter dessen Hausfassade im bürgerlichen Gellert-Quartier vieles übel riecht. Der Parlamentskandidat zieht übrigens kleine Jungs den Mädchen vor.
Der Roman «Muttertag zum Ersten» des Basler Autors Claude Lachat erzählt die Geschichte des unerschrockenen Polizeihauptmanns Frederik Steinmann. Dieser kommt mit seiner Assistentin Karin nach einem Doppelmord im Basler Milieu den Machenschaften seiner Kollegen auf die Spur. Lachat erzählt die Geschichte zwar gekonnt fadengerade, er setzt aber mit jedem Kapitel einen anderen Protagonisten in den Mittelpunkt. Das erlaubt Rückblicke, die erklären, wie es um alles in der Welt mit der Basler Polizei so schlimm kommen konnte. Jenseits von allen FCB- und Fasnachtsklischees pinselt Lachat zudem geschickt Lokalkolorit auf. Man spürt, wie die Stadt atmet.
Alles in allem: Eine spannende und unterhaltsame Lektüre, auch wenn der Autor manchmal etwas gar dick aufträgt. (hü)
Claude Lachat
«Muttertag zum Ersten»
263 Seiten
(IL-Verlag 2013).
Markus Matzner
Bombenstimmung im TV-Studio:
Im Krimi «Wahlschlacht» entführt der Schweizer Autor Markus Matzner seine Leser nach Zürich-Leutschenbach, ins Machtzentrum des Schweizer Fernsehens. Dort werden auf dem TV-Gelände gleich zwei Tote gefunden, kaltblütig ermordet. Und dies kurz vor der Wahlsendung zu den Parlamentswahlen 2015.
Die Polizei beginnt im TV-Umfeld zu ermitteln – und da kann Matzner seine Stärke ausspielen: Gekonnt vermischt er die Fernsehwelt mit all ihren Macken mit einer spannenden Handlung. Bald wird den Ermittlern klar, dass kein Einzeltäter am Werk war; die Spur führt zu rechtsnationalen Kreisen. Als dann auch noch Journalisten entführt werden und eine Bombe im Studio tickt, ist das Chaos perfekt. Die teilweise holprige Sprache macht der TV-Journalist Matzner mit seinem Fachwissen über die Medienwelt wieder wett. Solide Unterhaltung mit einem Schuss Gesellschaftskritik. (jf)
Markus Matzner
«Wahlschlacht»
314 Seiten (Gmeiner 2013).
Barbara Lutz
Tod in der Grotte:
Eigentlich hat Ilka Kovacs ihren Nachbarn Juri kaum gekannt. Doch als der junge Russe urplötzlich verschwindet und ihr einen USB-Stick hinterlässt, wird die arbeitslose Ex-Studentin aus Bern-Bümpliz neugierig. Als sie dann von Juri eine Postkarte aus dem Wallis erhält, reist Ilka nach Leukerbad. Dort wird Juri gerade leblos aus der Dampfgrotte gezogen.
Nach mehreren weiteren unheimlichen Begegnungen im Wallis ist für Ilka klar: Juri wurde ermordet. Die Polizei kann und will ihr nicht helfen, also nimmt sie eigene Ermittlungen auf und zappelt schon bald in einem Netz aus mafiösen Verstrickungen.
Die in Vorarlberg geborene und heute bei Bern lebende Ethnologin Barbara Lutz (54) überrascht mit einem packenden und gut recherchierten Erstling. Vor atmosphärisch geschilderter Kulisse in Bern und Leuk siedelt sie eine glaubhaft erzählte Geschichte an mit Bezügen zum aktuellen politischen und wirtschaftlichen Geschehen der Schweiz. Im Zentrum steht Kovacs und ihr Psychogramm als «gescheiterte Existenz». Überzeugend, wie sich diese mutige Frau durch den Dschungel der zunehmend gefährlichen Aussenwelt kämpft und ans Ziel gelangt. «Russische Freunde» ist spannend und süffig geschrieben; der Roman macht Lust auf das nächste Abenteuer von Ilka Kovacs, die sich selbstironisch als «Agentin» sieht. (fn)
Barbara Lutz
«Russische Freunde»
240 Seiten
(Limmat 2013).
Das ganze Spektrum abgedeckt
Cuneo, Zopfi und 16 andere
Tote in jeder Ecke des Landes: Unter dem Titel «Mord in Switzerland» haben die beiden Schriftstellerinnen Mitra Devi und Petra Ivanov 18 Kriminalgeschichten herausgegeben. Mit dabei sind klingende Namen wie Anne Cuneo, Emil Zopfi, aber auch unbekanntere Autoren wie Andrea Weibel oder Helmut Herzig. Die Verbrechen decken das ganze Spektrum des Genres ab – vom einfachen «Whodunnit» wie bei Philipp Probst bis zum Mysteriösen bei Milena Moser. (hü)
Mitra Devi, Petra Ivanov (Hg.)
«Mord in Switzerland»
286 Seiten (Appenzeller 2013).
Jutta motz
Jane und ihre Freundin Gioia freuen sich auf eine gemeinsame Ferienreise in den Süden. In Rom aber gerät die Reise zum Albtraum: Die beiden Freundinnen werden Zeuginnen eines Mordes. Ein Erlebnis, das Gioia als Anwältin keine Ruhe lässt. Die beiden Frauen stellen Nachforschungen an, die sie nach Süditalien ins Umfeld von Schlepperbanden führen. Die Wahlzürcherin Jutta Motz hat einen spannenden Krimi zur aktuellen Flüchtlingsproblematik geschrieben. (fn)
Jutta Motz
«Blutfunde»
320 Seiten (Elster 2013).
Paul Lascaux
Zuerst liegt ein Banker tot im Zoogehege – ohne Herz und tierisch zugerichtet. Dann kippt ein Zuckerbäcker in den Marzipanteig. Die Berner Polizei ist überfordert, ein klarer Fall also für die Detektei Müller & Himmel. Der Berner Krimidoyen Paul Lascaux zieht auch im sechsten Fall seiner Hauptstadtserie alle Fäden seiner Kunst. In süffig-ironischem Tonfall berichtet der Schriftsteller von menschlichen Abgründen zwischen Zoo und Backstube. (fn)
Paul Lascaux
«Schokoladenhölle»
229 Seiten (Gmeiner 2013).
Criminale 2013: Festival und Anthologie
Die beiden Krimischreibenden Paul Ott und Sabina Altermatt haben für die Anthologie «Berner Blut» 20 Kolleginnen und Kollegen eingeladen, Kurzkrimis zu schreiben. Diese spielen in 20 Gemeinden zwischen Bern und Solothurn. Grund: In dieser Region findet Mitte April die Criminale 2013 statt. Das europaweit grösste Krimifestival wird seit 1986 von der Autorengruppe Syndikat ausgetragen und gastiert aus Anlass des 75. Todestages von Friedrich Glauser erstmals in der Schweiz.
Von Bern bis Burgdorf, von Oberhofen bis Interlaken gibt es an diesen fünf Tagen Lesungen, Konzerte, Theater- und Filmvorstellungen sowie Ausstellungen und Führungen. Insgesamt fast 100 Veranstaltun-
gen mit rund 200 Autorinnen und Autoren. Am 20. April werden im Berner Kursaal zudem die Friedrich-Glauser-Preise 2013 in vier Kategorien vergeben. (fn)
Criminale
Mi, 17.4.–So, 21.4., Region Bern, Solothurn, Thun, Burgdorf
www.die-criminale.ch
Anthologie
Paul Ott/Sabina Altermatt (Hg.)
«Berner Blut»
Die Anthologie zur Criminale 2013
332 Seiten (Gmeiner 2013).