Vor 60 Jahren begann Elvis Presley, die Country- und Hillbillymusik der US-Bleichgesichter mit dem Rhythm ’n’ Blues der schwarzen Bevölkerung zu verschmelzen. Das war die Geburtsstunde des Rock ’n’ Roll, der alsbald die ganze Welt in Aufregung versetzte. Sie definiert auch den Beginn der Popmusik in der Schweiz, die sich von den
US-amerikanischen und später auch den englischen Vorbildern nährte.
Erstmals national
«Oh Yeah!» heisst die Ausstellung im Museum für Kommunikation in Bern, mit der die Geschichte der Popmusik in der Schweiz einem breiten Publikum nahegebracht werden soll. Zwar gab es in verschiedenen Städten schon museale Aufbereitungen des Pop-Phänomens, aber lediglich als lokale oder regionale Themen. «Mit dieser Ausstellung sind wir erstmals und explizit national ausgerichtet», sagt Kurt Stadelmann, Ausstellungskurator und Projektleiter. «Zudem decken wir die ganze Zeitspanne ab – vom Rock ’n’Roll der Anfänge bis zum aktuellen Stand im Jahr 2014.»
Den Anstoss zur Ausstellung gab der Musiker, Medienjurist und Rockhistoriker Samuel Mumenthaler, ein Kenner und Chronist der Schweizer Popgeschichte, der unter anderem das essenzielle Grundlagenwerk «BeatPopProtest» veröffentlicht hat. Gemeinsam mit Mumenthaler haben Stadelmann und sein Team die Thematik in einer Rekordzeit von zehn Monaten aufbereitet und umgesetzt. «Mumenthaler gab den Grundinput, die Umsetzung war Teamarbeit im Museum», sagt Stadelmann voller Stolz auf das Ergebnis. «Wir haben eine ausgezeichnete Durchdringung von Inhalt und Form erreicht.»
«Oh Yeah!» hat nicht den Anspruch, das Phänomen Popmusik in der Schweiz möglichst umfassend abzubilden. Flächenmässig besetzt die Ausstellung einen grossen (350 Quadratmeter) und einen kleineren Raum (100 Quadratmeter) als Schau zum Hören, verbunden mit visuellen Reizen: Screens, Objekten, Covers, Fotos. Wer will, kann stundenlang Musik hören und sich an verschiedenen Standorten per Kopfhörer einklinken. Dass jeder Besucher zu jeder Zeit bei jedem Einklinken des Kopfhörers den jeweiligen Song oder Beitrag stets von Anfang an hören kann und nicht in einen Loop gerät, ist laut Stadelmann «eine Weltneuheit».
Quer durch 60 Jahre
Zentrum des Hauptraums bilden fünf Module, in denen schwerpunktmässig die fünf Dekaden der popmusikalischen Entwicklung thematisiert sind. Dabei werden immer auch die internationalen Einflüsse mitberücksichtigt (Presley, The Beatles, Hendrix, Deep Purple). Es beginnt mit der populärmusikalischen «Ursuppe» der 1950er, in der sich neben bestehenden Schlagerduos, dem Dominator Vico Torriani, Tanzorchestern und Dixielandbands langsam andere Klänge abzeichneten. So etwa mit den exotischen Instrumentals von The Hula Hawaiians aus Basel, die 1957 mit ihrem «Chimpanzee Rock» auch den ersten Rock-’n’-Roll-Titel der Schweiz herausbrachten.
Im nächsten Modul begegnet man den frühen Beat-Bands, lernt Les Sauterelles kennen und erlebt die Entwicklung hin zum Psychedelic Rock, Artrock, Progrock. Später treten Krokus und andere Heavybands ins Rampenlicht, wird der Mundart-Rock-Kiosk mit Rumpelstilz und Konsorten geöffnet und der Einfluss von Radio DRS 3 und anderen Stationen auf die Popmusik deutlich gemacht. Im letzten Modul pulsieren Techno, Hip-Hop, Eurodance und DJ Bobo durch die Besucherhirne.
Die letzten 15 Jahre Popmusik bis heute werden ausschliesslich im kleineren Raum und formal ganz anders thematisiert. Hier ist kein einziges Objekt zu sehen, kein Plattencover, kein Erinnerungsstück. Stattdessen laufen – ganz dem digitalen Zeitalter entsprechend – insgesamt 36 Musikvideos von aktuellen Künstlerinnen und Künstlern auf sechs grossen Screens gleichzeitig.
FMs Stimme
Bei jedem Modul trifft man auf die unverkennbare Stimme von François «FM» Mürner, dem legendären Basler Pop-Radio-Pionier («Musik aus London», «Sounds!»). FM hat die akustischen Introtexte verfasst, die über Kopfhörer abgerufen werden können. Die Eingangsbereiche der Module sind als Pop-ups von CD-Covers gestaltet. Zur bunten Welt gehören jede Menge an Objekten, Fotos und Filmen, von denen viele aus der Sammlung von Samuel Mumenthaler stammen. Wer hat schon jemals das «Originalherz» gesehen, von dem sich Kuno Lauener zu seinem «I schänke dir mis Härz» inspirieren liess? «Oh Yeah!» zeigt es.
Ergänzend zu den Hauptmodulen können die Besuchenden die Geschichte des Coverdesigns verfolgen. Stadelmann: «Eine rein optische Angelegenheit, wo wir Hunderte von Singles, Schallplatten, Kassetten und CDs mit ihren Hüllen zeigen.» Auf der gegenüberliegenden Seite dieser visuellen Popgeschichte lädt die Soundlounge mit einem 20 Meter langen Sofa ein, sich Dutzende von Songs quer durch die Schweizer Popgeschichte in voller Länge anzuhören.
Das Buch zur Ausstellung
Die Ausstellung «Oh Yeah!» ist so konzipiert, dass ein möglichst breites Zielpublikum angesprochen wird: Erwachsene und Jugendliche, Familien und Schulklassen, Nostalgiker und Neugierige, Musikinteressierte und visuelle Nerds. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation mit 200 Pop-Fotos, die ganz unchronologisch nebeneinander-stehen und nationale und internationale Künstler zeigen, wie man sie noch nicht häufig gesehen hat. Das Buch enthält eine Vinyl-Single mit einem Song von The Cayman Islands.
Samuel Mumenthaler/Kurt Stadelmann (Hg.)
«Oh Yeah!
1957–2014»
(Museum für Kommunikation 2014)
Oh Yeah! Popmusik in der Schweiz
Fr, 14.11.–So, 19.7.
Museum für Kommunikation Bern
www.mfk.ch