Die Leichtigkeit des Seins
In Clemens Bergers neuem Roman «Ein Versprechen von Gegenwart» lässt ein Kellner seinen Fantasien freien Lauf.
Inhalt
Kulturtipp 15/2013
Babina Cathomen
Eine prickelnde Szene: Immer um Mitternacht betreten eine umwerfend schöne Frau und ein attraktiver Bohemien ein Restaurant. Sie bestellt Bitter Lemon, er Bier und Filetspitzen. Der «heimliche Dritte im Bunde» ist der Ich-Erzähler, ein Kellner, der die beiden bei ihren Gesprächen belauscht. Er erfährt bald, dass sie eine Affäre haben und der Restaurantbesuch zum Ritual nach dem Schäferstündchen gehört. Der Ich-Erzähler ist fasziniert vo...
Eine prickelnde Szene: Immer um Mitternacht betreten eine umwerfend schöne Frau und ein attraktiver Bohemien ein Restaurant. Sie bestellt Bitter Lemon, er Bier und Filetspitzen. Der «heimliche Dritte im Bunde» ist der Ich-Erzähler, ein Kellner, der die beiden bei ihren Gesprächen belauscht. Er erfährt bald, dass sie eine Affäre haben und der Restaurantbesuch zum Ritual nach dem Schäferstündchen gehört. Der Ich-Erzähler ist fasziniert von der Beziehung, die sich auf die Gegenwart beschränkt, von der Leichtigkeit, der «unverbindlichen Verbindlichkeit». Vor allem aber ist er regelrecht berauscht von der schönen Unbekannten: «Ich hätte mich am liebsten niedergekniet und ihr mein Leben zu Füssen gelegt.»
Von der Affäre des Paars erfährt die Leserschaft nur so viel, wie der Kellner sieht und hört. In Aufzeichnungen lässt dieser zudem seinen Fantasien freien Lauf und stellt sich dabei ihre intimen Treffen vor. Doch man ahnt auch das kommende Unheil: Denn der Kellner berichtet im Rückblick und lässt immer wieder durchscheinen, dass sich ein Bruch vollzogen hat.
In dieser Perspektive des heimlichen Dritten liegt die Stärke des Romans. Die Beziehung der beiden bleibt in der Erzählung des Kellners stets in der Schwebe, nicht fassbar, behaftet im «Versprechen von Gegenwart». Die Beobachtungen lösen beim Ich-Erzähler auch Gedanken zu eigenen unerfüllten Träumen aus: «Wir alle hatten uns mit Nebenrollen abspeisen lassen und uns mit den Plätzen arrangiert, die man uns zugewiesen hatte.»
Der Schriftsteller und Philosoph Clemens Berger hat 2010 mit seinem Roman «Das Streichelinstitut» Erfolge gefeiert. Das neue Buch des 34-jährigen Österreichers besticht zwar sprachlich und durch eine ausgefeilte Konstruktion, die Hauptfiguren sind aber gar klischeehaft gezeichnet: Der smarte Schauspieler, genannt «Löwe», und seine «Wildkatze», die atemberaubende, verheiratete Russin mit Luxuskörper in Luxuskleidern, vermögen als echte Charaktere nicht zu überzeugen.
Clemens Berger
«Ein Versprechen von Gegenwart»
160 Seiten
(Luchterhand 2013).