Das Motiv ist uralt – und blüht mehr denn je. Die Blume steht im Mittelpunkt einer neuen Ausstellung des Zürcher Museums Bellerive. Die Schau reicht vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute.
Glaskunst, Möbel, Tapeten oder Videos: Das Haus Bellerive des Zürcher Museums für Gestaltung zeigt 300 Objekte mit Blumenmotiven. Die Schau mit dem Titel «Durch die Blume» besticht durch ein weites Spektrum: Es reicht vom englischen Künstler William Morris über die Liliendekors des Jugendstilkünstlers Emile Gallé bis zu Andy Warhol oder den zeitgenössischen Videos der schweizerisch-vietnamesischen Künstlerin Quinh Dong.
Vor allem Objekte aus der Sammlung des Hauses bestücken diese Ausstellung. Sie vermitteln dem Betrachter überraschende Bezüge zwischen Kunstformen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben; bei genauerem Hinsehen indes sehr viel. Die Blume ist dabei mehr als nur gemeinsames Motiv; sie dokumentiert den Wandel des Kunstverständnisses. Sie steht sogar für das Gesellschaftsmodell der jeweiligen Zeit, wie ein Vergleich zwischen dem englischen Künstler William Morris aus dem 19. Jahrhundert und der zeitgenössischen Zürcher Künstlerin Ursula Palla belegt. Aufmerksamkeit verdienen auch die zahlreichen Plakatgestalter, die bei den Passanten mit ihren Affichen für Produkte werben. Sie setzen auf das Emotionale des Blümlimotivs – und das Verführerische, dem sich niemand entziehen kann.
Durch die Blume
Fr, 21.11.–So, 29.3. Museum Bellerive Zürich
Ursula Palla
Die Zürcher Künstlerin zeigt zwei Videoarbeiten im Museum Bellerive. Bei der interaktiven Installation «Flowers 1» löst der Besucher über einen Sensor eine kleine Explosion aus; eine Vase mit farbigem Blumenstrauss zerstiebt beim Hintreten. Für Ursula Palla liegt die Schönheit dieser Installation nicht im Blumenstrauss, sondern in «seiner Zerstörung mit der Vase». Die Künstlerin will damit zeigen, wie Gefälliges ins Hässliche kippen kann; nicht nur im Destruktiven: «Etwa wenn eine überzüchtete Gerbera mit einem Draht aufrecht gehalten wird», sagt sie. Hinter ihren Blumenarbeiten stecke «Gesellschafts- und Globalisierungskritik». Palla verbindet damit ähnliche, wenn auch zeitgemässere Vorstellungen wie William Morris vor fast 150 Jahren: Mit seinen scheinbar harmlosen Blumenmotiv drückte er ein politisches Anliegen aus. Palla erinnert daran, dass viele der hiesigen Schnittblumen aus Kenia stammen, gezüchtet und geschnitten von schlecht entlöhnten Arbeitskräften. Sie hat sich in einem andern Video mit einem ähnlichen Phänomen beschäftigt. In «Flowers 4» dokumentierte sie polnische Arbeiter beim Einfärben holländischer Blumen mit gesundheitsgefährdenden Substanzen. Die zweite Video-Installation Pallas heisst «Blackflowers». Diese Arbeit erinnert an die Erneuerungsbewegungen im arabischen Raum.
William Morris
Diese Tapete links des englischen Dichters und Künstlers William Morris (1834–1896) erscheint auf den ersten Blick gefällig. Sie spricht das ästhetische Empfinden des Betrachters an; man möchte darin leben. Doch Morris wollte mehr damit: Die Tapete sollte das Leben menschenwürdiger machen. Die Kunst musste für den frühen Sozialisten das Leben der gebeutelten englischen Arbeiterschaft verbessern. Wie viele Männer seiner Generation, vermochte er seine avantgardistischen gesellschaftlichen Ideen kämpferisch mit erfolgreichem Unternehmertum zu verbinden.
Die Tapete ist im Jahr 1876 entstanden. Morris war damals auf dem Höhepunkt seines kreativen Schaffens. Er setzte auf eine umweltgerechte Nachhaltigkeit, wie man heute sagen würde, und unternahm Versuche mit natürlichen Farben, statt auf die verbreiteten chemischen Lösungen zu setzen: Indigo für Blau, Walnuss für Braun oder Scharlach-Eiche für Rot. Das war in jener Zeit der rasant wachsenden Kommerzialisierung finanziell lukrativ. Morris eröffnete einen Laden an der Londoner Oxford Street und verzeichnete einen enormen Erfolg.
Das änderte an seinen politischen Idealen wenig: Er kritisierte zwar den sozialistischen Radikalismus zusehends, engagierte sich aber in der «Eastern Question Association», einer links-pazifistischen Gruppierung. Sie wollte verhindern, dass England an der Seite des Ottomanischen Reichs in einen Krieg gegen Russland zog. Zurück zur Tapete: Morris traf mit seiner Designwerkstatt den damaligen Zeitgeist. Seine gestalterischen Ideen erschienen den Viktorianern zwar innovativ, aber ohne die Betrachter übermässig zu provozieren. Genau das gilt bis heute als erfolgreiches Geschäftsmodell.