Die Bildungslast der Kinder
Vom Drill bis zur künstlerischen Selbstentfaltung: In seinem Film «Alphabet» zeigt Erwin Wagenhofer gegensätzliche Bildungsansätze auf.
Inhalt
Kulturtipp 04/2014
Urs Hangartner
Das Bild des Filmanfangs kehrt am Ende wieder zurück: eine karge Wüstenlandschaft – das Death Valley in den USA. 2004 regnete es dort, ein Jahr darauf blühte es förmlich. Der Beweis dafür, dass Leben unter der Oberfläche schlummerte. Es musste nur Gelegenheit bekommen, sich zu entfalten.
Der englische Erziehungswissenschaftler Ken Robinson spricht den Kommentar zum Erblühen einer angeblich toten Landschaft. Er gehör...
Das Bild des Filmanfangs kehrt am Ende wieder zurück: eine karge Wüstenlandschaft – das Death Valley in den USA. 2004 regnete es dort, ein Jahr darauf blühte es förmlich. Der Beweis dafür, dass Leben unter der Oberfläche schlummerte. Es musste nur Gelegenheit bekommen, sich zu entfalten.
Der englische Erziehungswissenschaftler Ken Robinson spricht den Kommentar zum Erblühen einer angeblich toten Landschaft. Er gehört zu den Kritikern des heute vorherrschenden Bildungssystems, das ausschliesslich auf Leistung und Erfolg ausgerichtet ist. Anschauungsmaterial dazu liefert «Alphabet» am Beispiel China: Da wird in einem uniformen System gedrillt, gebüffelt und geprüft. Eliten werden von klein auf herangezüchtet.
Kreativität fördern
Es geht auch anders: Entfaltung, Fantasie und Kreativität statt Leistung und Wettbewerb. Der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther bringt seine Forschungsergebnisse in die Bildungspraxis. Unter anderem sagt er: «Man kann sich nur selber bilden.» Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Pädagoge und Forscher Arno Stern seit Jahrzehnten: Er lässt vor allem Kindern in seinem Malatelier Freiraum für Kreativität. «Tanzen, musizieren, malen – alles andere kommt von selbst», ist der in Frankreich tätige Stern überzeugt. «Das Kind wird erdrückt vom Gewicht des Beigebrachten.» Der lebende Beweis für seine Theorie ist sein Sohn André. Er ging nie zur Schule; alles, auch die Sprachen, hat er sich selber beigebracht.
Heute ist er in der Vermittlung tätig, wo er von seinen Nicht-Schul-Erfahrungen berichtet. Und André Stern ist Gitarrenbaumeister und Musiker. Seine Ausführungen vor der Kamera macht er in perfektem Deutsch. Anschaulich und gedankenanregend statt trocken theoretisch: Das ist der Film des Österreichers Erwin Wagenhofer zum gesellschaftlich drängenden Thema Bildung.
Alphabet
Regie: Erwin Wagenhofer
Ab Do, 20.2., im Kino