Die Arroganz der Besitzenden
Der «Hörpunkt»-Tag von Radio SRF 2 Kultur stellt die neuseeländische Schriftstellerin Katherine Mansfield vor – eine wunderbare Erzählerin.
Inhalt
Kulturtipp 01/2014
Letzte Aktualisierung:
23.12.2013
Rolf Hürzeler
Die junge Londonerin Rosemary Fell hat eine gute Partie gemacht. Sie heiratete einen derart reichen Mann, «dass sie zum Einkaufen nach Paris fährt, so wie wir in die Bond Street gehen». Nach dem Besuch bei einem Antiquitätenhändler begegnet Rosemary einem jungen, bitterarmen Mädchen, Miss Smith. Die schicke Dame entschliesst sich, der Notleidenden zu helfen und «schrecklich nett mit ihr zu sein». Was wie ein Weihnachtsmärchen beginnt, ende...
Die junge Londonerin Rosemary Fell hat eine gute Partie gemacht. Sie heiratete einen derart reichen Mann, «dass sie zum Einkaufen nach Paris fährt, so wie wir in die Bond Street gehen». Nach dem Besuch bei einem Antiquitätenhändler begegnet Rosemary einem jungen, bitterarmen Mädchen, Miss Smith. Die schicke Dame entschliesst sich, der Notleidenden zu helfen und «schrecklich nett mit ihr zu sein». Was wie ein Weihnachtsmärchen beginnt, endet in der Entlarvung der englischen «Upper Middle Class» als eine Clique rücksichtsloser Schnösel, sogenannter «Toffs».
Die neuseeländische Schriftstellerin Katherine Mansfield (1888–1923) hat diese Geschichte 1922 geschrieben, kurz bevor sie an Tuberkulose verstarb. Die «Hörpunkt»-Redaktion von Radio SRF 2 Kultur hat nun den Mut, dieser Meisterin der modernen Kurzgeschichte einen ganzen Tag zu widmen. Elke Heidenreich, Nina Hoss und Maren Eggert lesen Kurzgeschichten von Mansfield, unter anderem auch die Erzählung «Eine Tasse Tee».
Die reiche Rosemary bringt die bedürftige Miss Smith tatsächlich mit nach Hause und lässt ihr Tee servieren. Doch ihr Ehemann missbilligt es, eine Unbekannte von der Strasse aufzulesen. Er lässt aber auch durchblicken, dass ihm die Besucherin eigentlich gefällt. Jetzt bleibt die Leserschaft im Unklaren: Will er die Eifersucht von Rosemary wecken, oder hat er tatsächlich ein Auge auf Miss Smith geworfen? Rosemary entschliesst sich jedenfalls, rücksichtslos zu handeln.
Katherine Mansfield wusste genau, von was sie schrieb. Ihr Vater war Banker, einer der reichsten Männer Neuseelands. Sie kam mit 15 Jahren nach London, wo sie mit Unterbrüchen bis fast ans Lebensende blieb. Katherine Mansfield führte ein unglückliches Leben mit gescheiterten Beziehungen, einer Fehlgeburt und dem Verlust ihres Bruders im Ersten Weltkrieg. Sie hatte ein ambivalentes Verhältnis zu den damals führenden englischen Literaten in der Bloomsbury Group, zu Virginia Woolf und D.H. Lawrence. Mansfield war in ihren Augen traditionellen Mustern verpflichtet – trotz ihrer modernistischen Erzählstruktur.
«Hörpunkt»-Tag
Do, 2.1., 09.00/17.00
Radio SRF 2 Kultur