Far A Day Cage begibt sich auf Abenteuerfahrt. Im Reisekoffer hat die Truppe einen von Jules Vernes weniger bekannten Romanen (siehe Kasten). Wer nun meint, «Die Propellerinsel» von 1895 habe nichts mehr mit der heutigen Zeit zu tun, irrt. Regisseur Tomas Schweigen und sein Team sind auf mehrere aktuelle Bezüge gestossen, wie er beim Gespräch in Basel sagt. Die Technik-Faszination etwa, die Jules Vernes Romane durchzieht, lässt sich auch 120 Jahre später beobachten – unter anderen Vorzeichen freilich. Während bei Jules Verne «Telephote» oder «Teleautographen» ein vermeintlich perfektes Leben bieten, sind es heute die neusten Apple-Tools, die Bahnbrechendes versprechen.
Besonderes Augenmerk legt Tomas Schweigen auf die politischen Parallelen zur heutigen Zeit. «Die Inselbewohner im Roman wollen alles, was Probleme macht, fernhalten, damit sie ihre Utopie aufrechterhalten können», erklärt Schweigen. Das wirft Fragen zur Zuwanderung auf, wie sie aktuell etwa die Ecopop-Initiative stellt, deren Initianten kürzlich mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert wurden. Die Inszenierung spielt mit dem Klischee der «Schweiz als Insel» und generell mit der Haltung Europas gegenüber Aussenstehenden. Assoziationen zu Flüchtlingsdramen wie in Lampedusa sind gewollt, werden in der Inszenierung aber nie direkt angesprochen.
Die Inselbewohner bei Jules Verne seien in einem ähnlichen Dilemma wie die heutigen Einwohner wohlhabender Staaten, sagt Schweigen. «Hin und her gerissen zwischen dem Bestreben, einen Einwanderungsstopp zu erlassen, damit die Idylle erhalten bleibt. Und dem Bewusstsein, dass diese Haltung nicht mit dem sozialen Gewissen vereinbar ist.»
Für den erstmals auf der Bühne aufgeführten Roman hat die Theatertruppe eine eigene dramatische Fassung geschaffen, die sich im Laufe der Proben aus Improvisationen entwickelt hat. Der musikalische Theaterabend beginnt mit dem Konzert der Musiker in San Diego, die rückblickend ihre Erlebnisse auf der «Milliardärsinsel» erzählen. Im ersten Teil wird aus der Perspektive der Zuwanderer berichtet, im zweiten Teil aus der Sicht der Inselbewohner. «Spielweise und Ästhetik ändern sich im zweiten Teil: Zu Beginn hat es Platz für Aberwitz und überzeichnete Anspielungen auf Jules Verne und seine Zeit, der zweite Teil ist inhaltlich radikaler», erklärt Schweigen.
Retro-Ästhetik
Trotz brisanter aktueller Fragen, welche die Theatertruppe mit ihrer Inszenierung aufwirft, soll eine gewisse Leichtigkeit nicht fehlen – und die Retro-Ästhetik des 19. Jahrhunderts. Während des Theaterabends baut der Bühnenbildner Stephan Weber die Inselstadt mit zweidimensionalen Holzobjekten auf. Giovanna Bolliger hat diese Requisiten gestaltet – inspiriert von den Illustrationen aus alten Jules-Vernes-Büchern. Und auch die Schauspieler selbst sind retro-futuristisch eingekleidet: Im Stil des «Steampunk», also der literarischen Bewegung, die sich auch auf die Mode ausgewirkt hat und den viktorianischen Kleidungsstil mit Elementen der damaligen Science-Fiction mischt.
Mit einem Augenzwinkern schwingt im Hintergrund der Inszenierung stets die Situation von Far A Day Cage selbst mit: Wie die Musiker im Roman, die einen Vertrag mit den Inselbewohnern unterzeichnen, wurde auch die Theatertruppe aus der freien Szene 2012 vom Theater Basel unter festen Vertrag genommen. «Die Propellerinsel» ist ihre letzte Arbeit, mit der sie nochmals alle Register ziehen.
Die Propellerinsel
Premiere: Do, 25.9., 20.00
Theater Basel
Abenteuerroman
Die Propellerinsel
Die Abenteuerromane «Reise um die Erde in achtzig Tagen» (siehe Seite 31) oder «Die Reise zum Mittelpunkt der Erde» gehören zu den bekanntesten Werken des französischen Autors Jules Verne (1828–1905). Im inzwischen vergriffenen Roman «Die Propellerinsel» von 1895 spielt er mit den Ingredienzien seiner Erfolgsromane: Eine Abenteuerfahrt und technische Wunder stehen im Mittelpunkt.
Im Roman verunfallen vier französische Musiker auf ihrer Reise zu einem Konzertauftritt in San Diego und landen auf einer künstlichen Insel aus Stahl, die von amerikanischen Milliardären erbaut wurde – von Propellern angetrieben und manövrierfähig. Die Musiker unterschreiben einen Vertrag, in dem sie sich zur Unterhaltung der Bewohner auf der luxuriösen Insel verpflichten. Mit der Zeit stellt sich heraus, dass darauf zwei verfeindete Familien leben. Auf der Fahrt über die Weltmeere gilt es, einige Abenteuer zu bestehen. So setzt etwa ein Dampfschiff Raubtiere auf der Insel aus. Als sich die verfeindeten Gruppen nicht über die einzuschlagende Richtung einigen können, wird die Insel beschädigt und bricht nach einem Wirbelsturm auseinander. Die Musiker können sich retten und in San Diego endlich das geplante Konzert geben.