Die schwangere Eva (Natalia Oreiro) und ihr Mann, der Puppenbauer Enzo (Diego Peretti), ziehen im Jahr 1960 mit ihren Kindern von Patagonien in die traumhaft schöne Tourismus-Gegend am Fuss der Anden. Hier, ausserhalb der Stadt Bariloche, übernehmen sie ein Hotel am See. Idyllischer könnte es nicht sein.
Mit ihnen auf die Reise gegangen ist ein Fremder (Alex Brendemühl). Er stellt sich als Helmut Gregor vor. Er spricht deutsch. Gregor quartiert sich sogar im Hotel ein. In der Stadt hat er in einer Veterinär-Klinik mit Forschungen zu tun. Auf der Schneide seines Messers kann man die Gravur «Blut und Ehre» lesen.
Deutsche Kolonie
Lilith (Florencia Bado) ist die 12-jährige Tochter von Eva und Enzo. Liliths Knochenstruktur entspricht derjenigen einer Achtjährigen, findet Gregor beim Röntgen heraus. In der deutschsprachigen Schule hänselt man sie («Hallo Zwerg!»). Doktor Gregor kann ihr helfen. Er habe ein entsprechendes Hormonpräparat, welches das Wachstum fördert. Vater Enzo sträubt sich dagegen. Mutter Eva und Lilith selber wollen die Behandlung unbedingt. Tatsächlich wächst das Mädchen. Aber auch Nebenwirkungen machen sich bemerkbar.
In der Gegend ist eine deutsche Kolonie beheimatet. In der Beiz tönt «Lady Sunshine und Mr. Moon» von Conny Froboess aus der Musikbox, daheim tanzt man zu Bill Ramseys «Wumba-Tumba Schokoladeneisverkäufer». Es ist notabene eine nazifreundliche Kolonie, wo man Jahrzehnte nach dem Kriegsende den Geburtstag des Führers feiert.
Als Eva Zwillinge gebiert, weckt dies wieder die Hilfsbereitschaft von Doktor Gregor. Es dämmert, spätestens, als man in Gregors Zimmer sein deutsch verfasstes Notizbuch findet, in dem akribisch medizinische Phänomene aufzeichnet sind.
Die Ahnung wird Gewissheit: Helmut Gregor ist Josef Mengele, der Auschwitz-Arzt, der es mit seinen barbarischen Menschenexperimenten zu trauriger Berühmtheit gebracht hat. Und der, scheinbar unbehelligt, im argentinischen Exil weiterhin seine dubiosen Experimente an Menschen durchführt.
Historisch plausibel
Es ist Mai 1960, als im Fernsehen berichtet wird, der israelische Geheimdienst habe den Kriegsverbrecher Adolf Eichmann gefasst und nach Israel entführt. Die Israelis sind auch Gregor auf der Spur. Er fliegt mit dem Wasserflugzeug davon. Im eingeblendeten Text auf der Leinwand heisst es: «Mengele hat noch gut 20 Jahre weiter an Kindern experimentiert.»
Regisseurin Lucía Puenzo (geboren 1976) hat die ungeheure Geschichte bereits in ihrem gleichnamigen Roman von 2011 erzählt. «Die Geschichte ist fiktiv, aber historisch plausibel.» Es geht der Regisseurin unter anderem um die zwiespältige Anziehung zwischen Gregor und Lilith.
Puenzo fragt sich auch: «Wie konnte mitten im Paradies so etwas Dramatisches geschehen?» Das Dramatische dieser Geschichte wird subtil, in Andeutungen, vermittelt. Umso ungeheuerlicher ist die Wahrheit, die an den Tag kommt in diesem fiktiven Stück Zeitgeschichte. Der Film war dieses Jahr offizieller Oscar-Beitrag Argentiniens.
El secreto de Wakolda
Regie: Lucía Puenzo
Ab Do, 15.5., im Kino