Sie spielt mit dem grossen Medizinball wie mit ihrem Liebhaber. Mit einem Liebhaber allerdings, der sie laufend überfordert. Da glaubt man kurz, die Komödiantin habe ihn im Griff, schon macht er sich selbständig, entzieht sich ihr – und sie versucht verzweifelt, alles unter Kontrolle zu kriegen. Willkommen in der neuen Show «Encore» der Jurassierin Eugénie Rebetez.
Reissaus genommen
Die 28-Jährige ist der neue Star in der Schweizer Kleinkunstszene, obschon sie erst mit ihrem zweiten Soloprogramm auf Tournee ist. Sie erhält dieser Tage den Schweizer Kleinkunstpreis an der Künstlerbörse in Thun. Und die Zeitungen sind voll des Lobes: Die NZZ würdigte sie als «beleibte Göttin. Alles an dieser Frau ist barock.»
Rebetez ist im jurassischen Dorf Mervelier bei Delsberg aufgewachsen. Das Dorf mit seinem Bois aux vaches liegt auf knapp 600 Metern Höhe und hat etwa gleich viele Einwohner. Diese Gegend ist für Rebetez noch immer gedankliche und familiäre Heimat: «Hier habe ich die Welt kennengelernt», sagt sie. Auch wenn sie früh Reissaus genommen hat. Sie verzog sich mit 15 an ein belgisches Gymnasium und besuchte später die renommierte Tanzhochschule im holländischen Arnheim, eine Art Elite-Universität der Bewegungsgewandten. «Ich glaubte damals, die Schweiz bietet mir gar nichts.» Nach dem Studium ging sie nach Brüssel, wo sie in der lokalen Tanzszene ihre Erfahrungen auf der steinharten Bühne der freien Szene sammelte.
Dann sah sie während eines Ferienaufenthalts in der Schweiz das Duo Zimmermann & de Perrot auf der Bühne: «Ich war begeistert, ich wusste gar nicht, dass es das hier gibt.»
«Freiheit auf der Bühne»
Rebetez machte Bekanntschaft mit Martin Zimmermann und Dimitri de Perrot. Die beiden Künstler engagierten sie 2008 als Tänzerin ihres Programms «Öper Öpis», und Rebetez sorgte mit ihrer ausdrucksstarken Bewegungsakrobatik erstmals für Aufsehen. Zwei Jahre später stand sie mit ihrem ersten Soloprogramm auf der Bühne – «Gina» für Eugénie. Sie spielte eine überdrehte Frauenfigur, die immer wieder an sich selbst scheitert – ein Komikmuster, das in diesem Genre in allen Variationen zu lachen gibt. Aber Rebetez’ Darbietungen sind mehr als Klamauk. Der Befund der Tanzkritikerin Maya Künzler: «Sie beherrscht die akademischen Techniken, hat Ballett sowie zeitgenössische Formen studiert.»
«Meine Figur gibt mir Freiheit auf der Bühne», sagte Eugénie Rebetez, «ich kann so meine Körpersprache und meine Stimmen einsetzen, um mit dem Publikum zu kommunizieren.» Erst in zweiter Linie kommt bei ihr die gesprochene Sprache, mit der sie je nach Region in der Schweiz etwas spielt. Allerdings will Rebetez die kulturellen Gegensätze nicht gegeneinander ausspielen: «Das interessiert mich nicht.» Sie versteht ihre Kunst aber nicht im engen Sinn politisch: «Auch wenn mein Leben als freischaffende Künstlerin politisch verstanden werden kann.»
Und jetzt ist die in Zürich lebende Rebetez mit ihrem exaltierten Alter ego «Gina» erneut auf Tournee. «Encore» heisst die Performance diesmal, «Zugabe» also, eine Weiterentwicklung ihres ersten Stücks – wiederum mit der gleichen gelenkigen Eleganz und hintersinnigem Witz, der viel Selbstironie einschliesst. «Ich habe die ursprüngliche Figur weiterentwickelt», sagt sie. Und Eugénie Rebetez will ihr treu bleiben: «Denn das kann ich.»
«Encore»
Schlachthaus Bern
Sa, 6.4., 20.30
So, 7.4., 18.00
Theater Roxy Birsfelden BS
Mi, 15.5., 20.00
Do, 16.5., 20.00
Fr, 17.5., 20.00
Theater Chur
Mi, 5.6., 20.00
Künstlerbörse in Thun
Die 54. Schweizer Künstlerbörse findet Mitte April im Thuner Kultur- und Kongresszentrum statt. Die Leistungsschau der Schweizer Kleinkunstszene dient den Akteuren als Plattform für gegenseitige Kontakte. Die Künstler erhalten zudem Gelegenheit zu Auftritten auf drei Bühnen. Neben Eugénie Rebetez bekommen der Zürcher Schriftsteller und Kabarettist Franz Hohler (Ehrenpreis) und der Circus Monti (Innovationspreis) Auszeichnungen. Mit dabei sind dieses Jahr Persönlichkeiten wie die Tänzerin Anna Röthlisberger, die Schriftstellerin Anna Lier sowie die Berner Musikclowns Schertenlaib und Jegerlehner.
Mi, 10.4.–So, 14.4., Kultur- und Kongresszentrum Thun
Alle Infos: www.ktv.ch