Was weiss man von Island? Man kennt die Musiker Björk und Sigur Rós, die Vulkane Eyjafjallajökull und Bárdarbunga oder den Literaturnobelpreisträger Halldór Laxness. Und man hat von den Islandpferden gehört. Das sind die Tiere mit dem leicht gedrungenen Körperbau und der Fähigkeit zur speziellen Gangart Tölt. Eine solche Gangart pflegt die weisse Stute des Protagonisten Kolbeinn (Ingvar E. Sigurdsson).
Eines Morgens, per Feldstecher scharf beobachtet von den Bewohnern der umliegenden Liegenschaften, reitet Kolbeinn zu seiner Geliebten Solveig. Deren Hengst durchbricht prompt den Zaun der Koppel und besteigt stracks Kolbeinns Mähre – während der draufsitzt! In einem Akt abstruser Eifersucht erschiesst Kolbeinn sein Pferd.
Fein bis brachial
Ein anderes Pferd wird übel geschunden: Ein Schweralkoholiker zwingt es, aufs Meer hinaus zu schwimmen, wo er von der Besatzung eines russischen Schiffs sehr starken Alkohol («nicht trinken!») postet. Der Wodka ist tödlich. Ein spanisch sprechender Velotourist wechselt im Lauf des Films vom Stahlesel aufs Pferd – mit fatalen Folgen. Weil Stacheldraht eines Bauern den alten Weg versperrt, entschliesst sich ein Reiter, das Hindernis zu zerstören, verliert dabei aber sein Augenlicht. Beispiele aus dem Streifen mit schwarzem Humor, der von fein bis brachial reicht.
Sechs Mensch-Pferd-Geschichten in der berückend schönen Landschaft Islands erzählt «Hross í oss», wie der Film im Original heisst: «Das Pferd in uns». Es gilt auch umgekehrt, wie sich der Mensch im Tier spiegelt – angezeigt etwa durch die in den einzelnen Kapiteln wiederkehrenden Grossaufnahmen von Pferdeaugen mit Reflexionen der menschlichen Aussenwelt. Ein Mensch kriecht sogar gänzlich in ein Pferd hinein zum Schutz vor dem Schneesturm und um zu überleben. Dazu hat er das Tier erstochen, aufgeschlitzt und ausgeweidet.
Erschossen, erstochen, zum qualvollen Schwimmen im Meer gezwungen – da bleibt es Geheimnis der Filmemacher, wie sie es geschafft haben, für die entsprechenden Szenen keinem Pferd ein einziges Haar zu krümmen. Das wird im Abspann offiziell festgehalten, falls etwaige Zweifel bestünden: «Kein Pferd wurde beim Drehen dieses Films verletzt. Alle Mitglieder von Cast und Crew sind Pferdebesitzer und -liebhaber.»
Potenzial zum Kultfilm
In der Schlussszene wird noch einmal augenscheinlich, wie nah sich Mensch und Tier sind. Die gemeinsame Pferde-Herde in der abgelegenen Wild-Weide wird von den Züchtern zusammengetrieben und in einer grossen runden Koppel versammelt. Hier suchen sich die Menschen ihre Tiere, die sie in sternförmig verlaufende Einzelkoppeln führen.
Regisseur und Drehbuchautor Benedikt Erlingsson legt mit diesem eigentümlichen Film über Beziehungen, Feindschaften und Liebschaften mit grotesk-absurder Schlagseite sein Kinodebüt vor. Bisher arbeitete er als Theaterregisseur und Schauspieler (Lars von Triers «The Boss Of It All»). «Of Horses And Men» könnte ein neuer Kultfilm werden. Tierisch gut, traurig, tragisch, aber auch urkomisch.
Of Horses And Men
(Hross í oss)
Regie: Benedikt Erlingsson
Ab Do, 11.9., im Kino