Mit leichter Hand warf er ein Aquarell oder eine Gouache aufs Papier. Beim Komponieren am Klavier musste er sich aber mit wenigen Takten pro Tag zufriedengeben. Peter Mieg (1906–1990) tat sich schwer, wenn es sich um einen musikalischen Auftrag handelte. Doch ob er ein Stillleben malte oder ein Streicherstück schrieb, eine Ausstellungsrezension oder eine Konzertkritik verfasste, stets bemühte er sich um optimale Transparenz und formale Klarheit.
Bildungsbürger und Homme de Lettres
Anna Kardos und Tom Hellat widmen dem Aargauer Universalkünstler nun ein lesenswertes Buch. Dem jungen Autorenpaar gelingt es, Peter Miegs Weg vom sensiblen und verletzlichen Kind bis zum erfolgreichen, jedoch bis zuletzt selbstkritischen Künstler klar nachzuzeichnen. Es schildert den durch viele menschliche Herausforderungen erschwerten und von mancherlei Marotten erfüllten Alltag des homosexuellen Künstlers ebenso ausführlich wie respektvoll. Peter Mieg fiel in der Öffentlichkeit mit seinem roten Morgenmantel auf. Zudem liess er sich gerne von Freunden auf dem Motorrad chauffieren.
Das Autorenpaar wählte eine bilderreiche Sprache, die sich durch literarische Qualität auszeichnet. Es bereitet grosses Lesevergnügen, wie etwa Stimmungen in einem Pariser Park oder in Miegs Lenzburger Wohnsitz «Sonnenberg» beschrieben werden – nebst all den fachlich fundierten Informationen.
Der in Lenzburg geborene Künstler fühlte sich von der französischen Kultur stark angezogen. Er studierte in Paris und huldigte hauptsächlich einem neoklassizistischen Ideal. Die bevorzugte Sonatenform und Werktitel wie «Combray», «Pour le clavecin» oder «Images dEpinal» zeugen genauso von seiner frankophilen Ausrichtung wie die intensive Lektüre der Werke von Marcel Proust. Wie sein eng mit ihm befreundeter Cousin Jean Rudolf von Salis war Mieg ein selten gewordener Bildungsbürger und ein Homme de Lettres par excellence. Seine geistvollen Briefe beeindruckten nicht weniger als seine Vertrautheit mit den bildenden Künsten und der Architektur aus weiten Zeiträumen. Der pianistisch von Emil Frey ausgebildete Musiker liess sich von Frank Martin beraten, bevor er eine Existenz als freischaffender Komponist wagte.
Internationaler Durchbruch mit 46 Jahren
Der internationale Durchbruch gelang Mieg mit 46 Jahren, als sein Concerto da Camera per archi, pianoforte e timpani 1953 von Edmond de Stoutz in der Zürcher Tonhalle uraufgeführt wurde. Hatte sich Mieg zuvor mit bitonalen Experimenten an die avantgardistische Musik der Pariser «Groupe des Six» und an Igor Strawinsky als Vorbilder angenähert, so erreichte er mit dem musikantisch beschwingten Doppelkonzert einen ersten Höhepunkt seines französisch geprägten Neoklassizismus.
In der seriellen Musik von Pierre Boulez und jüngeren Komponisten fühlte er sich nicht wohl. Auf Neuerungen reagierte er mit Rückorientierungen. Dies widerspiegelt seine Hinwendung zur Neoromantik, die ihn ins Abseits stiess.
Buch
Anna Kardos, Tom Hellat
«Auf der Suche nach dem eigenen Klang. Der Komponist, Publizist und Maler Peter Mieg»
256 Seiten (Hier und Jetzt 2016).