«Der grosse Krieg» Brutale Wahrheiten
Neil LaBute leuchtet in seinen Stücken meisterhaft die Abgründe menschlicher Beziehungen aus. Das Luzerner Theater zeigt drei Einakter des US-Autors.<br />
Inhalt
Kulturtipp 22/2011
Claudine Gaibrois
Eine Frau und ein Mann sitzen in einem schicken, kahlen Wohnzimmer mit eleganter Beleuchtung, sie im roten Kleid und rotlackierten Nägeln, er in Hemd, Kaschmirpulli und modischer Kunststoffbrille. «Wie wärs, wenn wir es nochmals versuchen würden?», fragt er schüchtern. «Niemals. Die Wahrheit ist: Wir mögen uns nicht mehr, kein bisschen», antwortet sie nach einem Lachkrampf. «Ich meinte auch nicht wegen uns, ich meinte wegen der Kinder&raq...
Eine Frau und ein Mann sitzen in einem schicken, kahlen Wohnzimmer mit eleganter Beleuchtung, sie im roten Kleid und rotlackierten Nägeln, er in Hemd, Kaschmirpulli und modischer Kunststoffbrille. «Wie wärs, wenn wir es nochmals versuchen würden?», fragt er schüchtern. «Niemals. Die Wahrheit ist: Wir mögen uns nicht mehr, kein bisschen», antwortet sie nach einem Lachkrampf. «Ich meinte auch nicht wegen uns, ich meinte wegen der Kinder», kontert er kalt. «Ich hasse dich auch ziemlich – auf meine harmlose und belanglose Art natürlich», sagt er mit ironischem Bezug auf eine giftige Bemerkung, die sie kurz zuvor fallengelassen hat.
Zu Oliven und Mineralwasser diskutiert das Paar, das sich nach neun Jahre Ehe scheiden lassen will, über die «Aufteilung der Beute». Sie überlässt ihm grosszügig die Kinder, denn: «Ich hab sie nie gemocht.» Hingegen hätte sie gern das Geschirr ihrer Mutter und die Ficus-Pflanze. So läuft der Schlagabtausch in «Der grosse Krieg», der nach «Ich mag dich wirklich» und «Land der Toten» als letzter von drei Einaktern im Luzerner Theater zu sehen ist.
Harter Kritiker
«Autor Neil LaBute führt die Normalität vor, die irgendwann ihre hässliche Fratze zeigt», sagt Regisseur Andreas Herrmann. Meisterhaft erforsche der Amerikaner die Abgründe menschlicher Beziehungen. «Er zeigt, wie gemein, selbstsüchtig und machtgeil die Menschen sind, und kritisiert den heutigen Individualismus», ergänzt Dramaturgin Larissa Bizer.
Zu Schuld fähig
Eine zentrale Rolle spielt bei LaBute die Sprache. In einem flotten und oberflächlichen Schreibstil behandle LaBute antike Themen wie Familie, Kinder und verpasste Gelegenheiten, die schicksalshafte Auswirkungen haben, sagt Herrmann. «Er geht davon aus, dass Menschen sich ihres Handelns bewusst sind und zu Schuld fähig sind», betont Bizer. «Das bedeutet auch, dass sie Verantwortung für ihr Tun übernehmen können.»