Ihr Kampf dauerte sehr lange. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es erste gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen protestierenden Frauenrechtlerinnen, den britischen Suffragetten, und der Polizei. Doch die Kampagne blieb erfolglos – bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Mit den jungen Männern an der Front waren die Frauen für das Establishment politisch unentbehrlich geworden. Der US-amerikanische Historiker Adam Hochschild schildert in seinem Buch «Der Grosse Krieg», wie sie diese Chance nutzten.
Zuvorderst stand die Witwe Emmeline Pankhurst (1858– 1928) mit ihren Töchtern Christabel, Sylvia und Adela. Die Mutter gründete 1903 in Manchester die «Social and Political Union» (WSPU), die zuerst gewaltlos für die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen kämpfte. Nachdem die Kämpferinnen jahrelang erfolglos blieben, wandten sie sich rabiateren Methoden zu – Bombenanschlag auf den späteren Premierminister Lloyd George inbegriffen – und landeten prompt im Gefängnis.
Patriotischer Eifer
Als der Nationalismus in Grossbritannien vor dem Krieg wie überall in Europa Wellen schlug, setzten die Pankhursts auf Pazifismus und verurteilten den «Krieg der Männer». Doch bei Kriegsausbruch 1914 schlug sich Mutter Emmeline auf die Seite der Hurrapatrioten. Autor Hochschild zitiert eine ihrer Reden in Plymouth: «Wenn ihr in diesen Krieg zieht und euer Leben hingebt, könnt ihr keinen besseren Tod finden – denn das Leben für sein Vaterland zu geben, ist gross und ehrenvoll.» Ihre Tochter Christabel reiste derweil durch die USA, um die Amerikaner zum Kriegseintritt zu bewegen.
Ganz anders ihre jüngere Schwester Sylvia. Sie blieb eine überzeugte Pazifistin: «Ihr erschien der patriotische Eifer der Mutter als Verrat.» Das familiäre Zerwürfnis spiegelte die Entwicklung der Suffragetten-Bewegung – in bürgerliche und sozialistische Aktivistinnen. Die Linken verliessen schon 1907 die von Emmeline und Christabel Pankhurst dominierte WSPU. Unter der Führung von Charlotte Despard gründeten sie eine Bewegung, die ebenso viel Zulauf hatte. Sylvia Pankhurst hielt zwar zuerst widerwillig zu ihrer Familie. Doch im Krieg schlug sie sich auf die Seite der pazifistischen Linken, zumal sie mit dem Arbeiterführer Keir Hardie liiert war.
Bei Kriegsende im November 1918 erhielten die britischen Frauen das passive Wahlrecht. Sie konnten sich ins Parlament wählen lassen, sofern sie nicht mittellos und unter 21 Jahre alt waren. Zehn Jahre später erhielten die Frauen die gleichen politischen Rechte wie die Männer, etwa 50 Jahre vor den Schweizerinnen.
Der Wandel
Zahlreiche Bücher über den Ersten Weltkrieg sind in jüngster Zeit erschienen. Adam Hochschild beschreibt in seinem neuen Roman «Der Grosse Krieg» neben einem Teil der Kampfhandlungen, vor allem die Aktivitäten der damaligen Protagonisten. Er beschränkte sich nicht nur auf Soldaten und Generäle, sondern versuchte, der gesamten Gesellschaft gerecht zu werden, wie den Suffragetten.
Emmeline Pankhurst kam nicht ins Parlament, wurde im Alter eine erbitterte Kämpferin gegen den Kommunismus. Tochter Christabel steigerte sich in einen religiösen Wahn; Sylvia blieb eine linke Kämpferin. Und die Jüngste, Adela? Sie war zuerst Kommunistin in Australien, dann fanatische Faschistin mit zwei Hunden, die sie Adolf und Benito nannte.
Adam Hochschild
«Der Grosse Krieg»
528 Seiten
(Klett-Cotta 2013).