«Ich wollte endlich ein bedeutsames Leben führen.» So lautet der Vorsatz des Ich-Erzählers. Die Frage ist nur: Wie schafft man das? Eigentlich ­ist er ein beschäftigungsloser Schauspieler. Lediglich zwischendurch findet er etwas Arbeit als Sprecher beim Radio. Der Mann hat viel Zeit – um nachzudenken, um spazieren zu gehen. Als typischer Protagonist eines Genazino-Romans ist er auch ein Flaneur, das noblere Wort für «Herumstreuner». Dabei beobachtet er seine Umwelt, die mit der Stadt Frankfurt identisch ist, als ­einer, der lieber erst einmal abwartet, bis etwas Bedeutsames passiert.

Das ist das General­thema von Genazinos Büchern; eigentlich schreibt er immer den gleichen Roman mit Variationen. Aber man liest diese Bücher stets mit Gewinn. Genazinos ureigene schriftstellerische Gabe ist das kunstvolle unaufgeregte Erzählen, begleitet von dezenter Ironie.

Der Erzähler beschäftigt sich auf die eine oder andere Art: «Aus Langeweile begann ich, ahnungslose Wörter zu verunstalten. Aus dem Wort Heimat machte ich Schleimat, eine bösartige Entgleisung, die ich niemandem erzählen konnte. Mein zweiter Versuch war das Wort Entdeckung, aus dem bei mir Enteckung wurde.» 

Auf den Vorschlag seiner Partnerin Carla, sie könnten doch mal in die Schweiz fahren, erwidert er: «Die Schweiz ist zu teuer, sagte ich; bald wird man in der Schweiz auch für das Betrachten der Berge Gebühren bezahlen müssen.»
Durch einen unerwarteten Todesfall bekommt der Roman eine dramatische Schlagseite. Sein Leben geht weiter. Dessen Ziel wäre, «allen möglichen Zusammenstössen aus dem Weg zu gehen». 
    
Buch
Wilhelm Genazino
«Ausser uns spricht niemand über uns»
160 Seiten
(Hanser 2016).