Wie ein dunkler Schatten huscht der Tod durch die Erzählungen von Lisa Elsässer. In der Geschichte «Puppenspiel» etwa begegnen wir zwei kleinen Mädchen, die das Sterben ihrer Tante nicht ganz begreifen und es im Spiel mit ihren Puppen nachzuahmen versuchen.
In der tragikomischen Erzählung «Endspiel» beendet der Tod das enge Mutter-Tochter-Verhältnis der 100-jährigen Otilia und der 80-jährigen Magda, die im Altersheim leben und sich an nichts mehr erinnern können – nicht einmal, dass sie Mutter und Tochter sind: «Beide wohnen nicht mehr in ihrem Gedächtnis. Dort sind sie ausgezogen, und sie wissen nicht mehr, als dass sie das gar nicht mehr wissen.» Zwischen den Zeilen lässt die Autorin den Humor aufblitzen, wenn sie von den ständig keifenden und doch so eng verbundenen Alten erzählt. Die Mitteilung vom Tod ihrer Tochter streift Otilia nur als kurzer Schock, bevor sie wieder im Vergessen versinkt.
Auch in der Erzählung «Nachtwache» ist der Tod im Leben einer Krankenpflegerin allgegenwärtig. Im Spital wird sie von einer schrecklichen Erinnerung heimgeholt, als eines Nachts ein alter, sterbender Mann eingewiesen wird, den sie als ihren Peiniger aus Kindheitstagen erkennt. Ihr Leben lang hatte sie geschwiegen über das, was er ihr als Kind an der Schwelle zur Pubertät angetan hatte. Erst als sie ihn auf einer Leichenbahre in die Kühlräume schieben und die Türe mit einem hallenden Knall hinter sich zuwerfen kann, findet sie eine Art Trost.
Facetten des Todes
Düsteres wohnt den genauen Beobachtungen von Lisa Elsässers Erzählungen inne. Nebst verschiedenen Facetten des Todes beschreibt sie andere Formen von Abschied, etwa das (nahende) Ende von Beziehungen. In der titelgebenden Erzählung «Feuer ist eine seltsame Sache» steht eine Dreiecksbeziehung im Mittelpunkt. Die Ich-Erzählerin gerät in Gewissensnöte, als der Mann ihrer Freundin sie plötzlich mit andern Augen anzuschauen beginnt. Eines Tages liegt ein Zettel mit einem aufgeklebten Zündholz auf dem Tisch: «Feuer ist eine seltsame Sache», hat er in kantiger Schrift darauf geschrieben. Da die beiden das Spiel mit dem Feuer nicht lassen können und das Streichholz entzünden, nimmt die Freundschaft zwischen den dreien ein jähes Ende.
Starke Bilder
In kurzen Geschichten mit oft starken Bildern entwirft Elsässer Szenerien, die einen schaudern lassen durch ihre Kühle und das unverhoffte Einbrechen unterdrückter Gefühle oder Erinnerungen. Elsässers verdichtende Erzählform verdeutlicht, dass die Autorin von der Lyrik her kommt. Viele Geschichten können für sich selbst bestehen, auch wenn sie den Leser durch die kühle Distanz manchmal unbeteiligt lassen. In anderen würde man sich weitere Facetten oder Perspektiven wünschen, die das Geschehen nicht im Unbestimmten schweben lassen.
Elsässer macht es den Lesern nicht leicht und wählt zuweilen einen sperrigen Zugang – wie im Sprachexperiment «einer stirbt», das ohne Interpunktion auskommt. Etwas störend wirken die in die Texte eingestreuten schweizerdeutschen Ausdrücke, die den geschliffenen Sprachfluss stören. Dennoch lohnt es sich, sich durchzubeissen.
Dass Gedichte manchmal schwer verdaulich sind, stellt auch die Ich-Erzählerin in der Geschichte «Zugabe» selbstironisch fest: «Der Fuss ist manchmal hundert Mal in einem schönen Schuh, bis zwischen ihm und dem Leder eine Freundschaft entsteht und die Blasen vergehen, und natürlich ist eine Bratwurst schneller verdaut als ein Gedicht.»
Lyrik-Lesung mit Lisa Elsässer
Do, 5.12., 19.30
Am-Rhyn-Haus Luzern
Lisa Elsässer
«Feuer ist eine seltsame Sache»
176 Seiten
(Rotpunktverlag 2013).
Lisa Elsässer
Lisa Elsässer, 1951 in Bürglen UR geboren, hat sich erst spät der Schriftstellerei zugewandt. Nach ihrer Arbeit als Bibliothekarin und Buchhändlerin hat sie das Deutsche Literaturinstitut der Universität Leipzig besucht. 2008 ist ihr erster Gedichtband «Ob und darin» erschienen. 2011 folgten der Lyrikband «Genau so sag es» und der Erzählband «Die Finten der Liebe», in dem sie an den Ort ihrer Kindheit ins Schächental zurückkehrt. In diesem Jahr erschien neben dem Prosaband «Feuer ist eine seltsame Sache» ihr dritter Gedichtband «Da war doch was». Die Urner Schriftstellerin lebt seit 27 Jahren in Walenstadt SG.