David Philip Hefti gehört zu
den erfolgreichsten Schweizer Komponisten seiner Generation. Wolfgang Rihm, Cristóbal Halffter und Rudolf Kelterborn waren seine Lehrer. Noch heute sind sie Heftis Mentoren, auf deren Meinung er sehr viel Wert legt. Als Komponist kann Hefti, der auch Klarinette und Dirigieren studiert hat, bereits auf ein stattliches Œuvre zurückblicken – mit Werken in fast allen Gattungen und Besetzungen, die oft von namhaften Musikern bestellt und aus der Taufe gehoben wurden.
Nicht für die Schublade
Für die Schublade schreibt David Philip Hefti nicht. Wenn ihn eine Besetzung oder ein Solist reizt, dann genügt in der Regel eine Bemerkung, und es kommt zum Auftrag. Hefti kann leben vom Komponieren, wenn er dafür auch auf Familie und Ferien verzichtet. Mit etlichen Preisen ausgezeichnet, eingeladen von vielen Festivals und auf mittlerweile fünf Kontinenten gespielt, kann er es sich sogar leisten, Kompositionsaufträge abzulehnen. Denn darin ist er – wie in vielem – konsequent: Ein Abgabedatum hält er ein. «Leider bin ich ein langsamer Schreiber. Mehr als drei, maximal vier kleinere Aufträge pro Jahr sind für mich unrealistisch.»
Hefti hat schon zahlreiche Werke für ein konzertantes Soloinstrument und Orchester komponiert. Auf seiner jüngsten CD «Rotas» zum Beispiel sind Konzerte für Violine respektive Oboe zusammengefasst. Beide schrieb Hefti für ausgewiesene Virtuosen ihres Instruments, nämlich für die Geigerin Rahel Cunz und den Oboisten Thomas Indermühle. Das ist eine Grund-Konstante für den jungen Komponisten: «Es ist mir sehr wichtig, einen engen Kontakt zu den Interpreten zu haben. Sie sind für mich eine Inspirationsquelle, und es macht mir Freude, für ihre jeweiligen Fähigkeiten und ihre besonde-ren Eigenschaften zu schreiben. Aber es ist überhaupt nicht so, dass sie quasi mit komponieren.»
Das neue Cellokonzert
Auf seine Erfahrung und sein inneres Ohr kann sich Hefti verlassen: «99 Prozent der Partitur funktionieren, wie ich es mir vorgestellt habe, ein kleiner Rest an Ungewissheit bleibt. Aber die Uraufführung ist dennoch ein überwältigendes Gefühl, wenn die Musik physisch wird.» Deswegen ist Hefti auch bei der Probenarbeit gern dabei. Für das neue Cellokonzert hat er mit dem Solisten Thomas Grossenbacher bereits gearbeitet, ebenso mit dem Dirigenten David Zinman. Eine Woche vor dem Konzert kommt das Orchester hinzu. «Da passiert von meiner Seite her aber nur noch Feinarbeit.
Ich gehe nicht mehr hin und korrigiere. Es geht um Balance, um Klangfarbenmischungen. Es geht darum, vielleicht ein Element stärker herauszuholen. Ich weiss ja schon, wie es klingt, der Dirigent muss sich erst einarbeiten in die Partitur. Das ist ein riesiger Aufwand, und ich freue mich sehr, dass David Zinman das auf sich nimmt.»
Manche von Heftis konzertanten Werke verlangen handfeste Eskapaden in zeitgenössische Spieltechniken. Im Cellokonzert hat er weitgehend darauf verzichtet. Natürlich gibt es Pizzicati, Flageolett-Klänge und auch Vierteltöne. Aber die Rollenverteilung ist quasi traditionell: «Das Cello ist der unangefochtene Solist. Sobald es spielt, ist es die wichtigste Stimme, was nicht heisst, dass im Orchester nichts passiert. Der Titel «Gegenklang» zeigt schon auf, dass es zahlreiche Gegenstimmen aus dem Orchester gibt, die zum Cello hinzutreten oder seine Linien kontrastieren.»
Wichtig ist Hefti die Balance und die Transparenz. Manche Orchesterklänge sind – mit Absicht und grossem Können – so sorgfältig austariert, dass man auf Anhieb kaum sagen kann, welche Instrumente sie hervorbringen. Nur ganz selten, und dann auch nur für kurze Momente wird Hefti laut.
Klangraum geben
Minutenlange brachiale Fortissimo-Orgien, wie sie manche zeitgenössischen Komponistenkollegen gerne zelebrieren, sind seine Sache nicht. Das wäre in einem Cellokonzert auch der Untergang des Solisten: Trotz seines grossen Resonanzkörpers ist das Cello nämlich ein eher leises Instrument, das schnell im Orchesterklang verschwindet. Doppelt Grund für Hefti, die klangliche Transparenz ganz exakt auszufeilen. «Sein Part soll nicht frustrierend sein, wie es das in der Neuen Musik manchmal auch gibt.»
Auch sein Publikum will Hefti nicht frustrieren, ist sich aber bewusst, dass er hohe Anforderungen stellt. «Ein Zuhörer, der noch nie Neue Musik gehört hat, wird natürlich überfahren. Als Komponist sage ich immer, das Publikum interessiert mich nicht, aber als Mensch ist es mir nicht egal. Wenn es gefällt, freut mich das, und wenn Ablehnung resultiert, bin ich traurig. Aber dann gehe ich nicht hin und ändere meinen Stil.»
[CD]
Rotas: Konzert für Oboe und Orchester, «Wunderhorn-Musik» für Violine und Ensemble
(Neos 2010).
Tenet: 4 Lieder für Sopran
und Ensemble (Telos 2009).
Schattenspie(ge)l: Klaviertrio
«Ritus» (4 Tanz-Collagen für Cello solo), Liederzyklus «Rosenblätter» für mittlere Stimme & Klavier
(Telos 2009).
[/CD]