Die Zeiten ändern sich. Sensible Künstler spüren dies und reagieren darauf. Und wenn die Veränderungen derart dramatisch sind wie gerade, wenn sicher geglaubte Werte und zivilisatorische Errungenschaften ins Wanken geraten, werden gar ansonsten eher apolitische Künstler – wie Jazzer – aktiv.
Einer davon ist David Murray. Der 61-jährige Tenorsaxer und Bassklarinettist aus New York war noch nie ein Mann der leisen Töne. Seine Wurzeln liegen in der musikalischen Archaik von Blues und Gospel. Murray verlinkte diese Traditionen aber kunstvoll mit der engagierten Kraft der Black Music oder der Innovation der New Yorker Avantgarde. Bekannt wurde er mit dem vielfältig aufspielenden World Saxophone Quartet. Er experimentierte mit Freigeistern wie Cecil Taylor und Anthony Braxton, mit Exponenten der Szenen in Afrika und Europa, wo er seit 1996 auch lebt.
Wortstarker Vertreter
Murray ist also ein unentwegt sich Bewegender und offen für jedwelche Klangformen. Und weil die Zeiten sich ändern, wandte er sich vor einigen Jahren schon jener Musik zu, die sich am politischsten gebärdet: Hip-Hop. In Saul Williams fand er einen wortstarken Vertreter der New Yorker Szene. Der 44-jährige Dichter, Sänger und Schauspieler engagiert sich mit Kraft und Klartext für soziale Gerechtigkeit und gegen den Wertezerfall einer «zunehmend heuchlerischen Gesellschaft». Der studierte Philosoph spielt Album um Album ein, publiziert Gedichtbände und rüttelt auf mit seiner Slam Poetry, für die er auch schon in den Pariser Louvre oder ins Weisse Haus geladen wurde.
Von nah und fern
Murray und Williams sind ein höchst interessantes Gespann. Ihren Pioniergeist speisen beide aus Traditionen und der Adaption ihrer Vorbilder. Murray beruft sich auf Duke Ellington, John Coltrane, Albert Ayler. Williams mixt Soul-Hymnik mit der Roheit des Rap und jongliert wortspielerisch mit Alltagsquotes oder Bibelzitaten. Beiden geht es jedoch nicht um effektvolle, letztlich aber oberflächliche Fusionen, sondern um besonnene Annäherungen und Verknüpfungen.
David Murrays Infinite Quartet featuring Saul Williams war in den letzten Jahren an den Festivals von Cully VD oder dem Zürcher Taktlos zu hören. Man darf gespannt sein, wie es die brennende Aktualität in Willisau besingen wird. Das Konzert wird live auf Radio SRF 2 Kultur übertragen.
Am Luzerner Festival sind als weitere Höhepunkte US-Bläser Roscoe Mitchell oder der deutsche Pianist Joachim Kühn zu hören. Dem umtriebigen New Yorker Saxer, Komponisten und Bandleader John Zorn ist der ganze Samstag gewidmet; der Maestro selbst spielt mit dem Masada Quartet. Aus dem näheren Umland Willisaus sind aktuelle Projekte von Trompeter Peter Schärli, Saxer Urs Leimgruber und Drummer Fredy Studer zu hören.
CDs
David Murray Infinity Quartet
Be My Monster Love
(Motéma 2012).
Saul Williams
MartyrLoserKing
(Fader Label 2016).
Jazz Festival Willisau
Mi, 31.8.–So, 4.9. Diverse Bühnen Willisau LU
Konzert David Murray / Saul Williams
Fr, 3.9., 20.00 Hauptbühne Willisau LU
www.jazzfestivalwillisau.ch
Live auf Radio SRF 2 Kultur
Fr, 3.9., 22.05 David Murray