kulturtipp: David Greilsammer, Sie setzten kürzlich in Thun auf den musikalischen Balkan und jetzt wieder. Warum das?
David Greilsammer: Ich liebe den Barock mit seinem einzigartigen Repertoire. Aber es gehört bei der Geneva Camerata dazu, dass wir Elemente wie Folk, Rap, Elektro oder Jazz einbauen. Das Überraschende dabei ist, dass es zwischen diesen unterschiedlichen Genres mehr Gemeinsamkeiten gibt, als man denkt. Folk aus dem Balkan eignet sich dafür bestens, etwa mit seinen Tänzen und den schnellen Rhythmen. Das ist farbenfrohe Musik.
Und wo sind die Gemeinsamkeiten genau?
Das Atmosphärische, zum Beispiel. Barock ist nicht verstaubt. Die Komponisten schrieben unkonventionelle Musik mit ungewöhnlichen Rhythmen. Und der Folk vom Balkan ist sehr eigenständig, stilistisch eigenwilliger als anderswo auf der Welt. Unsere Herausforderung war, diese beiden Musikformen, den Barock und den Folk, in ihrer Spiritualität zu einer Einheit zu arrangieren.
Und was bezwecken Sie damit?
In den meisten Konzerten sieht man, wie überaltert das Publikum ist. Also muss man das Repertoire erneuern, um für junge Besucher attraktiver zu werden. Viele empfinden den Klassikbetrieb als elitär. Deshalb wollen wir mit jungen Musikern ein niederschwelliges, attraktives Programm anbieten und damit ein breiteres Publikum begeistern, um den Leuten zu zeigen, wie wichtig klassische Musik ist.
Das kommt an?
Ja, wir suchen laufend nach neuen Formen und arbeiten mit gestalterischen Künstlern oder Schriftstellern zusammen. Wichtig sind für uns junge Komponisten, die wir ins Programm einbauen. Es reicht nicht, nur klassische Solisten zu engagieren, wir müssen viel breiter sein.
Sie scheinen nicht sehr erpicht zu sein, in den grossen Konzertsälen aufzutreten.
Wir haben in der Genfer Victoria Hall gespielt oder im Pariser Théâtre du Châtelet. Mich interessieren aber vor allem besondere Lokalitäten wie Clubs, Open-Air-Plätze oder alte Lagerhäuser. Dort finden wir ein neues Publikum. Für uns ist beides wichtig – der Konzertsaal wie der ungewöhnliche Ort.
Wie erzielen Sie den Ausgleich zwischen kommerziellem Erfolg und dem Experiment?
Wir spielen allein in der neuen Saison 40 Konzerte – selbst in China und Südamerika. Aber es ist eine Herausforderung, dieses Orchester zu führen. Ich besorge den musikalischen Teil und meine Geschäftspartnerin den kommerziellen. Wir nehmen uns die Freiheit, unsere wildesten Träume umzusetzen.
Sie sind Musiker und Manager?
Heutzutage kann man nicht mehr warten, bis das Telefon läutet und ein grossartiges Angebot kommt. Man muss mehr dafür tun als Arthur Rubinstein zu seiner Zeit.
Der Unkonventionelle
Der 38-jährige Israeli David Greilsammer leitet die Geneva Camerata. Er studierte in New York an der Juilliard School und machte sich als Mozart- und Barock-Interpret einen Namen. Ende September bestreitet er mit den 15 Musikern seines Orchesters das Eröffnungskonzert des Swiss Chamber Music Festival in der reformierten Kirche von Adelboden BE.
Swiss Chamber Music Festival Adelboden BE
Fr, 25.9.–So, 4.10. Eröffnungskonzert mit Geneva Camerata
Fr, 25.9., 20.00 Kirche Adelboden
Infos und Karten: www.adelboden.ch