«Der Eiffelturm ist wirklich von einer Hässlichkeit, die einen aus der Fassung bringt!» Ein «Arc de Triomphe der Industrie» sei er, ein Zyklop, ein «Spinnengewebe aus Metall». So stand es in einem Manifest gegen den Turm, verfasst von Romanciers, Malern oder Komponisten, kaum dass der Turm 1889 erbaut war. Heute ist La Tour Eiffel das Wahrzeichen von Paris – beim Publikum beliebter als der Louvre.
Ein Symbol
Der süddeutsche Autor Alexander Kluy erzählt in 15 Kapiteln die Kulturgeschichte dieser berühmtesten Stahlkonstruktion der Welt. Er sieht den Turm als Symbol für die Fortschrittsgläubigkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und als Quelle unerfüllter Sehnsüchte – für Künstler oder Touristen.
Nach einer Einführung rund um das Grossereignis «Weltausstellung» von 1889 bringt Kluy dem Leser das Leben Gustave Eiffels näher, einem Mann, der kaum Freunde, aber sehr viele Feinde hatte. Kurz: ein sehr unangenehmer Zeitgenossse in den Augen vieler. Er lernte an der École centrale des arts et manufactures Ingenieur. Kaum diplomiert, verärgerte er seine Eltern mit dem Bekenntnis, viel Geld für Vergnügungstouren durch das Pariser Nachtleben ausgegeben zu haben.
Aber Gustave Eiffel hatte auch die erste Weltausstellung in Paris 1855 besucht. 31 Jahre später gewinnt er den Wettbewerb für das Wahrzeichen der folgenden Pariser Weltausstellung.
Ein Fotosujet
Roland Barthes, der französische Philosoph, schrieb über den mittlerweile berühmten Turm: «Die Maler, die Zeichner, die Poeten und die Komponisten sind befähigt, dem Tour Eiffel die charmanten Eigenschaften einer grossen Dame zu geben.» Wie diese Maler, Zeichner oder Poeten das gemacht haben, erzählt Kluy anhand einzelner Werke: Der Maler George Seurat porträtierte das neue Wahrzeichen 1889 in dem von ihm begründeten Pointillismus. Oder der Künstler Robert Delaunay liess den Turm in den 1910er-Jahren im Stil des Kubismus zersplittern und kollabieren.
Als die Fotografie aufkommt, ist La Tour Eiffel beliebtes Sujet. Die perspektivischen Experimente der Berlinerin Germaine Krull lassen die Konstruktion wie ein tonnenschweres Spinnennetz aussehen. Der gebürtige Ungar André Kertesz hingegen fotografiert die ornamentalen Schattenwürfe des Turms und lässt ihn ganz leicht erscheinen.
Ein Souvenir
Mit der Zeit hat sich der Turm vom erhabenen Bauwerk zum Gebrauchsgegenstand verwandelt: Heute ist er Souvenir für Touristen oder Szenenbild für Modefotografie und Filme.
Das lustigste Kapitel ist das letzte: «Die Mythen der ‹Dame de fer›». Hier erzählt Kluy von Zirkuselefanten, die den Turm bestiegen haben sollen. Von Ballonfahrern, Kletterern oder Fallschirmspringern, die es mit dem Turm aufgenommen haben – und nicht immer heil davongekommen sind.
Der Autor hat eine Schwäche für Fremdwörter und doziert gerne. Seine Beschreibungen von Gemälden, Filmsequenzen, Romanen oder Erzählungen sind indes fundiert, manche dürften sich dann und wann an ihre Zeit im Hörsaal erinnert fühlen.
Alexander Kluy
«Der Eiffelturm – Geschichte und Geschichten»
351 Seiten
(Matthes & Seitz 2014).