Ein Gähnen morgens um 9.15 Uhr wäre keine Schande. Unser halb gelangweilter, halb zauberhaft wirkender Jungstar trat am Vorabend in der Zürcher Tonhalle mit dem Zürcher Kammerorchester (ZKO) auf. Trotz Wunsch auf einen späteren Interviewtermin, sieht Olga Scheps nicht verschlafen aus, wenn auch die Worte nicht eben sprudeln. Mediengewandt ist die 27-Jährige allemal und verschenkt, kaum dass man sich im Zürcher Hotel Continental begrüsst hat, bereits ein erstes Kompliment an den Journalisten.
Leidenschaft: Chopin
Doch das Leben als Klavierfee ist kein Zuckerschlecken: Ein Tag später wird in der NZZ eine vernichtende Kritik über Olga Scheps zu lesen sein. Noch ist die Russin glücklich, dass dem Gegenüber das Konzert gefallen hat. Es war kein gewöhnlicher Abend: Mit Franz Liszts abgründigem «Malédiction», ein hochvirtuoses Stück für Klavier und Orchester, forderte Scheps das Publikum und das Zürcher Kammerorchester gleichermassen heraus. Mit Erfolg, bereits sind neue Projekte mit dem ZKO geplant.
Die Zukunft … Scheps will gar nicht allzu viel von ihr wissen, obgleich auch sie naturgemäss zwei bis drei Jahre im Voraus planen muss: «Ich kann heute nicht genau sagen, wo meine musikalischen Schwerpunkte in zwei, drei Jahren sein werden. Aber eines weiss ich ganz sicher: Chopin wird immer ein fester Bestandteil meines Repertoires sein.»
Immerhin weiss sie, die sich mit dem rastlosen Schubert seelenverwandt fühlt, sehr genau, was in den kommenden Monaten folgt: Musik von Camille Saint-Saëns, Schubert und viel Chopin, spielt sie doch in diesen Wochen eine Chopin-CD ein, die bald beworben sein will. Der Markt verlangt es.
Vom Klassikmarkt, den mächtige Agenturen lenken und der junge, schöne Musikerinnen gerne in den Himmel katapultiert und dann schnell fallen lässt, will sie nichts hören. «Im Endeffekt entscheidet das Publikum.» Entschieden weist sie die Meinung zurück, dass diesem Publikum gesagt werden könne, wen es hören soll. «Das Publikum lässt sich nicht ein A für ein U vormachen. Journalisten spielen zwar auch eine wichtige Rolle, sind meinungsbildend, aber am Ende entscheidet der Zuhörer. Das Alter spielt nur in Form der Erfahrung eine Rolle, vielleicht noch in der Gelassenheit.»
Scheps wurde 1986 in Moskau geboren, lebte sechs Jahre dort, bevor sie mit ihren Eltern nach Deutschland kam. Solange sie sich erinnern kann, stand das Klavier im Zentrum ihres Lebens. «Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Klavierspielen zum Alltag gehörte. Musik war so normal wie Essen, für mich ist Klavier spielen ein Bestandteil meines Lebens.»
Ob sie sehr oft üben musste, weiss sie nicht mehr, mag sie nicht erzählen, sondern sagt lieber: «Ich habe wohl nicht schon als Kind das Rachmaninow-Konzert gespielt. Aber ich war immer ein Teil der Musik, war immer gerne am Klavier.»
Mit Herz ans Werk
Wer Olga Scheps reden hört, versteht auch, dass sich diese Musikerin auf emotionalem Weg ihren Werken nähert. Ein Werk, das sie fest im Repertoire und im Herzen hat, ist Mozarts d-Moll-Konzert, das die junge Pianistin in den nächsten Wochen mit dem Argovia Philharmonic spielen wird.
Über ihre vier Jahre ältere Schwester will Olga Scheps nicht reden. Die war auch einmal Pianistin, gewann sogar den renommierten Wettbewerb «Jugend musiziert» – wurde aber von Olga Scheps überrundet.
Die Werbeträgerin
Das vermeintlich nächste heikle Thema nimmt Olga Scheps allerdings erstaunlich locker. Sie ist Werbeträgerin einer Uhrenmarke und sagt deshalb dem Lifestyle-Magazin der «Financial Times» Dinge wie: «Anfangs wollte ich sie gar nicht mehr ablegen, und jedes Mal, wenn ich nach der Zeit schaue, freue ich mich. Selbst am Flügel stört sie mich nicht.» Die Frage, ob man das tun müsse als junge Pianistin, verneint sie und kontert, dass ihr die Uhr gefalle und dass sie die Kooperation schmeichelhaft gefunden habe, und fügt an: «Musik ist völlig abgegrenzt von dem, was ich anziehe – sie ist und bleibt mein Kernding.»
Christian Berzins
Olga Scheps
Die 27-jährige, in Moskau geborene Olga Scheps ist die Tochter eines russischen Pianisten und Musikprofessors, der 1992 an die Hochschule von Aachen berufen wurde. Sie genoss bereits als kleines Kind eine musikalische Ausbildung. Später, während ihrer Schulzeit besuchte sie 1999 die Klavierklasse des russischen Komponisten und Pianisten Vassily Lobanov und war ab 2006 in der Meisterklasse des deutsch-russischen Pianisten Pavel Gililov an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln.
Scheps debütierte mit 14 Jahren in der Konzertreihe «Junge Elite» und im 1. Klavierkonzert von Prokofjew in der Düsseldorfer Tonhalle. Es folgte eine steile Karriere mit zahlreichen Auftritten, die sie quer durch Europa und in die USA führten. Neben ihren Einsätzen als Solistin engagiert sich Scheps immer wieder in der Kammermusik, unter anderem mit den Violinisten Andrej Bielow und Daniel Hope. Sie widmet einen Grossteil ihres Repertoires Interpretationen der Romantik, insbesondere russischen Komponisten; ihre grosse Leidenschaft ist Frédéric Chopin. Sie ist auch eine gefragte Werbeträgerin für eine Automarke und Designeruhren.
CDs
Schubert
(RCA 2012).
Chopin
(RCA/Sony 2010).
Russian Album
(RCA 2010).
Die neue Chopin-CD erscheint im November
Konzerte
So, 22.9., 17.00 und Di, 24.9., 19.30
Kultur & Kongresshaus Aarau
Fr, 27.9., 19.30
Trafo Baden AG
Do, 10.10., 19.30
Tonhalle Zürich