Einst als ultrareaktionär verschrien, sind Ländler und Jodel zum stubenreinen Allgemeingut geworden. Die alpine Volksmusik hat Jazz, Pop, selbst Hip-Hop erobert und klingt in zeitgeistigen Mischformen an. Höchste Zeit fürs Gegensteuern und Wiederentdecken der archaischen Urmusik: Darum jedenfalls geht es dem Hornroh Modern Alphorn Quartet. Die vier Bläser aus Basel experimentieren zwar wacker mit dem helvetischen Urinstrument, stellen jedoch dessen zentrale Eigenschaft ins Zentrum: Die Naturtonreihen samt ihren Obertönen.
«Provokativ einfach»
Am Festival Alpentöne in Altdorf taufen Hornroh ihre neue CD «Gletsc». Darauf sind wenige traditionelle Weisen zu hören, vor allem aber Auftragswerke von zeitgenössischen Komponisten, die gezielt auf die Archaik der Alphornmusik setzen. SRF-Redaktorin Cécile Olshausen schreibt im Booklet zur CD von «provokativ einfacher Musik» und einer «Renaturierung» des heute oft «verfälschten» Alphorn-Charakters.
Modern klingt die Hornroh-Musik alleweil, lassen sich die unverfälschten Naturtöne doch auf neuartige Weise kombinieren und arrangieren. So konzentriert sich der bayerische Komponist Georg Haider in seinen «Marginalien» auf den siebten, elften und dreizehnten Oberton der Naturtonreihe und schreibt dem Ensemble entsprechende Harmonien in die Hörner. In der titelgebenden Komposition «Gletsc» des Zürchers Mischa Käser spielen Hornroh mit verschieden gestimmten Hörnern und überlagern damit die vier Naturtonreihen. Hornroh ist 2000 entstanden, als sich Balthasar Streiff (Ex-Stimmhorn) mit klassisch geschulten Bläsern zusammenfand. Nach verschiedenen Wechseln spielt Streiff heute mit Michael Büttler, Jennifer Tauder und Lukas Briggen.
Das Quartett steht exemplarisch für das Konzept des Festivals Alpentöne, das seit 1999 alle zwei Jahre aktuelles Klangschaffen aus dem gesamten Alpenraum präsentiert. Für die 9. Ausgabe reisen vor allem Musiker und Ensembles aus Österreich nach Altdorf, darunter Drehleiervirtuose Matthias Loibner, Sängerin Lia Pale oder das Blasensemble da Blechhaufn. Es kommt zu erstmaligen Sessions etwa mit den Akkordeonisten Otto Lechner (A), Bratko Bibic (SL) und Fränggi Gehrig (CH). Die Breitenwirksamkeit alpiner Musik stellen Ensembles der Hochschulen Luzern, Helsinki und des irischen Limerick mit einem gemeinsamen Programm unter Beweis.
Staubsauger im Spiel
Die Hochschule Luzern wartet zudem mit ihrer Radioshow «Die Schweiz auf Kurzwelle» auf. Damit wird an die Rolle des Radios als Leitmedium der Unterhaltungsmusik in den 1950er- und 1960er-Jahren erinnert. In den gigantischen Sacklager-Hallen als neuer Spielstätte kommt es zu Klangperformances sowie der Installation «Balgerei» für acht Akkordeons und acht Staubsauger.
CD
Hornroh Modern
Alphorn Quartet
Gletsc
(Musiques Suisses 2015).
Festival
9. Musikfestival Alpentöne
Fr, 14.8.–So, 16.8. Theater Uri/Schlüsselsaal/ Lehnplatz/Sacklager/Kirche St. Martin und weitere Orte in Altdorf
Konzert Hornroh
Sa, 15.8., 15.00 Foyer Theater Uri
Weitere Infos: www.alpentoene.ch
Radio
So, 16.8., 19.30 SRF 2 Kultur
Alpentöne live mit Marco Santilli’s CheRoba & Il Fiato delle Alpi, Du Bartas, Erika Stucky & da Blechhaufn, Wiener Choralschola & Matthias Loibner