Auf Fragen hält Daniel Kampa stets das passende Buch bereit: Im Gespräch springt er zuweilen auf und zieht zielsicher ein Buch aus den Regalen in seinen hellen, luftigen Verlagsräumen mitten in Zürich. Warum wird das Buch trotz Digitalisierung und Streaming überleben? «Da müssen Sie Olga Tokarczuk fragen», sagt er und zeigt auf ihr Buch «Der liebevolle Erzähler». Darin betont sie, wie wichtig das Lesen für den Menschen ist, um Empathie zu lernen. «Und anders als beim Film kann man beim Buch die Fantasie spielen lassen, eigene Bilder erschaffen.
Lesen ist Yoga für Geist und Seele! Für mich ist es die einzige Methode, um zur Ruhe zu kommen», sagt Kampa, der oft so schnell redet, dass er in zehn Sekunden mehr Infos packt als andere in eine Minute.
«Verrückte Sachen muss man sich leisten können»
Der 52-Jährige ist ein Büchermensch durch und durch. Die Begeisterung für seine Arbeit leuchtet aus seinen Augen – und dieser Passion können auch die Wirtschaftskrise, Corona, hohe Papier- und Druckpreise oder der serbelnde Buchmarkt nichts anhaben. Mit einem ausgeklügelten Programm konnte sich der Kampa-Verlag etablieren: von modernen Klassikern über Werke von Schweizer Autoren bis zu Krimi-Bestsellern, die das finanzielle Polster bilden.
«Ich will die Freiheit haben, Bücher zu machen, die nicht unbedingt rentieren. Verrückte Sachen muss man sich leisten können», sagt er. «Ich versuche, alle meine Lieblinge in meinem Verlag zu versammeln.» Nebst Mut und Idealismus habe es auch eine Portion Wahnsinn für die Gründung 2018 gebraucht.
Und Glück! Denn sowohl mit den Rechten an den Büchern von Georges Simenon als auch mit der Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk im Programm hat sich der Verlag einen Namen gemacht. Fürs Lesen hat der dreifache Vater von kleinen Kindern meist nur in der Nacht und am Wochenende Zeit. «Wenn ich müde bin und trotzdem bis 3 Uhr morgens nicht aufhören kann zu lesen, ist das ein gutes Auswahlkriterium für ein Manuskript.»
Seine wahre Heimat sind die Bücher
Um Kräfte zu bündeln, hat er weitere Verlage wie Schöffling, Jung und Jung oder Atlantis übernommen. «So können wir die administrative Arbeit aufteilen und uns vermehrt auf das Kreative konzentrieren. Ein Buch zu verlegen, ist keine Kunst, aber ein Buch zu den Lesern zu bringen, schon.» Kampa, der mit fünf Geschwistern in Luxemburg aufgewachsen ist, hat als Kind fast gar nicht gelesen. Erst mit 15 hat ihn das Buchfieber gepackt. Nach einem BWL-Studium und praktischer Erfahrung in einer Berner Buchhandlung war er 20 Jahre lang beim Diogenes- Verlag tätig. Ebenso haben ihn seine polnischen Wurzeln geprägt. «Ich bezeichne mich immer als ‹kosmopolnisch›. Literarisch zeigt sich das vielleicht in der Weltoffenheit unseres Verlags. » Er selbst fühle sich heimatlos – seine wahre Heimat sind die Bücher.
Daniel Kampas Kulturtipps
Buch - Tine Melzer: Alpha Bravo Charlie (Jung und Jung 2023, ab 23.2.)
«Der erste Roman der Autorin und Künstlerin Tine Melzer. Eine unglaublich spannende Frau! Und ein sehr schweizerisches Thema: Es geht um einen Ex-Piloten, der sich seine Welt mit einer Modellbaulandschaft zusammenbaut.»
Buch - Martina Clavadetscher: Vor aller Augen (Unionsverlag 2022)
«‹Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge› oder ‹Dame mit dem Hermelin› – Martina Clavadetscher gibt diesen bekannten Unbekannten eine Stimme. Eine grandiose literarische Leistung und ein Buch, das bei künftigen Museumsbesuchen nachhallen wird.»
Buchhandlungen - sec52 und Calligramme
«Mein allerliebstes Kulturprogramm: in Buchhandlungen stöbern. Zwei literarische Leuchttürme in Zürich: sec52 an der Josefstrasse und Calligramme im Niederdorf, von Enthusiasten gerettet.»