Da «entartet», hier «modern»
Das Kunstmuseum Bern stellt Fragen nach der «entarteten Kunst». Die Ausstellung steht im Zusammenhang mit der umstrittenen Erbschaft der Gurlitt-Sammlung.
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Kulturtipp 08/2016
Rolf Hürzeler
Der deutsche Künstler August Macke opferte sein Leben für das Vaterland. Am 26. September 1914 wurde der 27-jährige Freiwillige an der Marne erschossen, seine Gebeine liegen in einem kleinen Massengrab nördlich von Châlons-en-Champagne. Das Vaterland dankte ihm sein Opfer schlecht. 20 Jahre nach seinem Tod galten den nationalsozialistischen Machthabern seine expressionistischen Kunstwerke als «entartete Kunst». Daran erinnert das Berner Kunstmuseum nun in...
Der deutsche Künstler August Macke opferte sein Leben für das Vaterland. Am 26. September 1914 wurde der 27-jährige Freiwillige an der Marne erschossen, seine Gebeine liegen in einem kleinen Massengrab nördlich von Châlons-en-Champagne. Das Vaterland dankte ihm sein Opfer schlecht. 20 Jahre nach seinem Tod galten den nationalsozialistischen Machthabern seine expressionistischen Kunstwerke als «entartete Kunst». Daran erinnert das Berner Kunstmuseum nun in einer Ausstellung unter dem Titel «Moderne Meister».
Laut Kurator Daniel Spanke ist der Begriff «entartet» nicht nur politisch belastet: «Er ist diffus, denn selbst in der nationalsozialistischen Partei herrschte Uneinigkeit, was darunter fällt und was nicht.» So erkannten einzelne Nazigrössen wie etwa Feldmarschall Hermann Göring den künstlerischen Wert verfemter Werke und rissen sich diese gleich unter den Nagel.
Die Berner Ausstellung stellt nun Fragen nach der Provenienz von Werken. Sieben der 70 ausgestellten Objekte aus den Beständen des Kunstmuseums stammen aus deutschen Museen. Sie kamen unter anderem im Juni 1939 in einer Auktion der Luzerner Galerie Fischer auf den Markt und gelangten über private Sammler in den Besitz oder als Leihgaben ins Kunstmuseum. Seit 1938 galt im Deutschen Reich ein «Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst», das nachträglich den Raub von Werken aus deutschen Museen legitimierte. Was im Reich als «entartet» diffamiert wurde, kam in der Schweiz als «modern» auf den Markt.
«Modern» insofern, als dass die Schweizer Kunst damals nicht avantgardistisch war. Nach Dada setzten die Künstler – mit Ausnahmen wie Paul Klee – auf leicht zugängliche Malerei. So gesehen hatte die «entartete» oder eben «moderne» Kunst in der Schweiz einen Hauch des Elitären.
Mit dieser Ausstellung stellt sich das Kunstmuseum Bern einer Diskussion, die ohnehin latent ansteht. Denn wie erinnerlich vermachte der vor zwei Jahren verstorbene Kunstsammler Cornelius Gurlitt seine grossartige Sammlung den Bernern. Diese Werke stehen allerdings im Fokus einer kritischen Fachwelt, weil der Vater des Sammlers, Hildebrand Gurlitt, im Dienst der Nazis erwiesenermassen die Museen besetzter Länder plünderte. Ein Teil dieser Werke soll nun nach Bern kommen, was angesichts juristischer Unwägbarkeiten noch keineswegs sicher ist.
Moderne Meister. «Entartete» Kunst
Do, 7.4.–So, 21.8. Kunstmuseum Bern