Ein wenig Almosen, etwas Solidarität – so sieht das neue Bezahlmodell aus Sicht der Musikkonsumenten aus. Zumindest wenn diese Angebote, wie dasjenige der Basler Band The bianca Story, akzeptieren. Das heisst mit den Worten der Bandmitglieder: «Los Kumpel, pack dir Schaufel und Hacke. Ein Tunnel muss gegraben werden. Mit deiner Hilfe graben wir uns in ein Land, wo Musik frei ist. Wo niemand dich wegen Down- oder Uploads bestraft. Ein altes Gestein, die Musikwirtschaft. Mit unserem Tunnel durchbohren wir sie und befreien so die Musik unseres neuen Albums. Und dafür brauchen wir, The bianca Story, 90 000 Euro. Erst dann ist unsere Musik frei.» So verkauft die fünfköpfige Basler Band ihr Album in einem Video auf der Crowdfunding-Plattform «wemakeit».
Das Prinzip von Crowdfunding ist simpel: Ein Projekt wird online auf einer Plattform vorgestellt. Innerhalb einer bestimmten Zeit müssen genug Menschen bereit sein, das Projekt zu unterstützen. Ist die angestrebte Geldsumme zusammen, kommt das Vorhaben zustande, und die Unterstützer erhalten, je nach Höhe der einbezahlten Summe, spezielle Belohnungen («Goodies»). Bei The bianca Story sind dies zum Beispiel:
- Für 15 Euro einen Brief mit einer CD
- Für 50 Euro ein persönlich gewidmetes Gitarrensolo an einem Konzert plus zwei Eintritte
- Für 100 Euro eine CD und ein handgemaltes Tourneeplakat
- Für 8000 Euro einen eigenen Song.
Wird die Summe in der gesetzten Frist nicht erreicht, erhalten alle Unterstützer ihr einbezahltes Geld zurück – und das Projekt scheitert.
Die Musik befreien
«Wir wollten uns und unsere Platte von Fesseln befreien», so Sänger und Gitarrist Elia Rediger. Zwar habe die Digitalisierung die Musik für alle hörbar gemacht, und jeder kenne Wege, um Musik gratis aus dem Internet zu beziehen. Doch habe keiner ein gutes Gefühl, die Musik auf diesem halblegalen Weg zu konsumieren. «Es wäre aus unserer Sicht engstirnig, wenn wir weiterhin eine CD für 15 Franken im Laden anbieten und sie trotzdem alle gratis runterladen», erklärt Rediger den
Entscheid, ihre Musik jedermann gratis zugänglich zu machen und sie «komplett zu befreien». 90 000 Euro waren für ihr Vorhaben nötig. Ein hoher Betrag im Vergleich zum Zürcher Rapper Skor etwa: Er hat für die Aufnahmen seines neuen Albums nur 8500 Franken gesammelt. Doch bei The bianca Story sind nebst den Kosten für die CD-Aufnahmen weitere finanzielle Aufwendungen dazugerechnet worden.
Kumpel unter Tage
Im Gegensatz zu anderen Bands erfahren die Musikkonsumenten bei The bianca Story, wie sich das Budget von 90 000 Euro zusammensetzt. Darin enthalten sind sämtliche Kosten wie die Aufnahme im Studio, die Plattenpressung (CDs werden später an Konzerten gratis verteilt), die Bezahlung des Labels, die Promotion oder eine Aufwandentschädigung von 3000 Euro für jedes Bandmitglied. Einfach war es nicht, innerhalb von zehn Wochen die Summe zusammenzubringen. The bianca Story haben das Ziel erreicht – mit einer simplen Geschichte. Darin wurden alle Unterstützer zu Kumpeln unter Tage ernannt, die dabei helfen, sich durch das «harte Gestein der Musikindustrie in die Freiheit zu graben», indem sie das Projekt finanziell unterstützen. «Diese Analogie war ausschlaggebend, um allen, von der Grossmutter über die Freundin bis zu den hartgesottenen Clubkollegen, verständlich zu erklären, um was es uns geht», beschreibt Rediger den Zweck der «Digger-Story».
The bianca Story haben es geschafft, die Krise der Musikindustrie zu untergraben. Doch immer häufiger wird Musik über Share-Economy-Plattformen wie «Spotify» gehört. Deren Prinzip: Wenige bezahlen für ein Premium-Abo, während viele die Songs gratis hören und dafür Werbung in Kauf nehmen. Beim Künstler landet davon nur eine marginale Summe. Für Elia Rediger ist klar: «Es braucht einen Denkumschwung. Wenn man Musik hört oder konsumiert, muss der Künstler etwas davon sehen, sonst überlebt er nicht.» Für ihn ist wichtig, dass die Crowdfunding-Aktion nicht falsch verstanden wird: «Unsere Musik ist nicht gratis und war es nie. Viele Fans haben einen teilweise grossen Betrag bezahlt, um die Musik für alle kostenlos zugänglich zu machen.» Eine komfortable Situation, die Rediger und die Band immer wieder geniessen. «Es ist ein tolles Gefühl, nach dem Konzert jedem Besucher eine CD in die Hand zu drücken und zu sagen: Du kannst diese Songs rauf-, runter- oder querladen – du darfst damit machen, was du willst.»
Live
Fr, 10.1., 20.30 Moods Zürich
Fr, 24.1., 21.00 Kammgarn Schaffhausen