Am 30. Januar wird Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Nur Tage später lässt er den Reichstag auflösen und die Pressefreiheit beschneiden. Wir schreiben das Jahr 1933, ein Jahr der radikalen Umbrüche. In Deutschland nimmt ein rabenschwarzes Kapitel Geschichte seinen Lauf – und ich bin mittendrin. Virtuell, versteht sich. Im Computerspiel «Through the Darkest of Times» der deutschen Spieleschmiede Paintbucket Games schlüpfe ich in die Rolle einer Widerstandskämpferin.
Im Spiel findet in einem Berliner Hinterzimmer eine Widerstandsgruppe zusammen, die ab sofort gemeinsam gegen das Regime kämpft. Meine Figur darf ich selbst wählen und ausstaffieren. So leiste ich nun als jüdische Kellnerin Elise Roth mit Hornbrille, rot geschminkten Lippen und Beret Widerstand gegen die Nazis.
Eine Woche pro Spielrunde
Meine Mitstreiter stellt mir ein Zufallsgenerator zur Seite. Sie tragen Namen wie Götz Beer oder Monika Etter. Sie sind zum Beispiel Sozialdemokraten, Monarchisten oder christlich-liberal. Sie arbeiten als Friseure, Ingenieure oder sind arbeitslos. Es sind Charaktere, die so oder so ähnlich existiert haben könnten. Den Machern des Computerspiels liegt es am Herzen zu zeigen, dass «echte» Menschen ihr Leben im Kampf gegen die Nazis riskierten.
In jeder Runde teile ich meinen Figuren, die mit unterschiedlichen Fähigkeiten ausgestattet sind, einzelne Aktionen auf der Karte Berlins zu. Verfügt eine Figur über hohe Empathie- und Propagandawerte, lohnt es sich, mit ihr Unterstützer anzuwerben. Emotionslose und mit «Stärke» versehene Mitglieder machen sich bei gröberen Angelegenheiten besser.
Ähnlich der Gruppe «Weisse Rose» in München drucken wir zu Beginn des Spiels etwa Flugblätter. Später werden die Einsätze rabiater – bis hin zum Attentat.. Jede Spielrunde dauert eine Woche und wird nach der Planung vom Rechner simuliert.
Illustrationen erinnern an Dix und Kollwitz
Politische Gräben zwischen Kommunisten und Anarchisten sowie Streit in der Gruppe über banale Dinge gehören ebenso zum Spiel wie spannende Zwischensequenzen, welche die Handlung vorantreiben. Wenn etwa drei Nazis einen alten Juden anhalten, werde ich vor die Wahl gestellt, dem Mann zur Hilfe zu eilen oder feige abzuhauen. Vermittelt wird das mit Illustrationen, die an den Expressionismus von Otto Dix und Käthe Kollwitz erinnern. An Künstler also, welche von den Nazis als «entartet» tituliert wurden.
Rund ein Drittel der Spielzeit kommt in einem ansprechenden Visual-Novel-Stil daher, wie sich das Genre der Videospiele nennt, die auf Buchvorlagen basieren. Damit heimsten die Macher den deutschen Computerspielpreis für das «Beste Serious Game» ein. Zu Recht, denn sie liefern bedrückenden Geschichtsunterricht statt simplen Spielspass.
Und wie ergeht es meiner Gruppe? Nicht gerade rosig. Die Moral sinkt stetig. Aber deswegen ans Aufgeben denken? Niemals!
Through the Darkest of Times
Rundenstrategiespiel für Mac OS X, Windows 7+, iOS und Android
www.paintbucket.de/de/ttdot