Es ist, als läge er in einem Sarg. Die Augen schreckensweit geöffnet, scheint der Knabe auf dem Cover in einer Art Schockstarre gefangen zu sein. Doch kaum blättert man um, wird er von einer grünen Schlange verschlungen, wobei der Junge diesen Prozess duldsam über sich ergehen lässt. Nein, nach Angsterfahrungen braucht man im Comic «Fürchten lernen» nicht lange zu suchen.
Der Zweitling des 1992 in Zürich geborenen Grafikers und Illustrators Nando von Arb ist von einer derart expressionistischen Vielfalt, dass man immer wieder innehalten muss, um sich in dieser doppelbödigen Welt des Schreckens zu orientieren. Da fällt der Ich-Erzähler (mal mit Rund-, mal mit Hundekopf ausgestattet) in ein und demselben Bild in Zeitlupe aus dem Bett oder schreitet mit Riesenschritten durchs verzerrte Wohnquartier.
Im Kinderzimmer ängstigt er sich nicht nur vor Fratzen im Kleiderschrank, sondern auch vor den Raben aus dem Kinderlied «Hoppe, hoppe, Reiter», die ihm die Augen aushacken. Zudem hat der Schüler Panik vor einer Klassenreise und fantasiert als junger Mann von allen möglichen Todesursachen.
Skurriler Humor trotz Albträumen
«Fürchten lernen» zehrt abermals von persönlich grundierten Erfahrungen – in ähnlicher Weise, wie das von Arb schon im Debüt «3 Väter» getan hat, jenem symbolstarken Werk über eine Patchworkfamilie aus Kinderperspektive. 2020 wurde der Autor dafür mit dem Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet.
In «Fürchten lernen» wird diese Geschichte eines Aussenseiters nun fortgeschrieben, wobei die Sprechblasen den Figuren wiederum wie überlange Zungen um den Mund kleben. Bei allen Albträumen und Panikattacken kommt jedoch auch der skurrile Humor nicht zu kurz. Etwa wenn der Knabe beim Spielen mit der Cousine («Projekt Friedhof») jede Menge Stofftiere begräbt. So werden die übermächtigen Angststörungen wenigstens zeitweise in Schach gehalten.
Ausstellung
Mit Originalen aus dem Buch
Mi, 25.10.–So, 29.10.
Buchvernissage
Fr, 27.10., 19.30 Material – Raum für Buchkultur Zürich
(im Rahmen von «Zürich liest»)
Buch
Nando von Arb
Fürchten lernen
428 Seiten
(Edition Moderne 2023)
Das bietet «Zürich liest»
Während fünf Tagen bietet das grösste Literaturfestival der Schweiz über 200 Veranstaltungen mit rund 400 beteiligten Autorinnen und Autoren. Unter den internationalen Gästen finden sich prominente Namen wie Patrik Svensson («Das Evangelium der Aale») oder Adriana Altaras («Titos Brille»).
Ein Erlebnis der besonderen Art verspricht Priya Guns’ Debütroman «Dein Taxi ist da» über eine indische Taxifahrerin, die sich in eine reiche weisse Sozialarbeiterin verliebt. Die Schweiz ist nebst Nando von Arb unter anderem mit Lukas Bärfuss, Demian Lienhard oder Milena Moser vertreten.
Zürich liest
Mi, 25.10.–So, 29.10.
Zürich und Umgebung
www.zuerich-liest.ch
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