Ihr Name ist untrennbar mit dem Terroranschlag auf die französische Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» verbunden. Catherine Meurisse überlebte die islamistische Attacke 2015 nur, weil sie zu spät zur Redaktionssitzung kam. In der Folge entschied sie sich, die Trauer über die ermordeten Kollegen und die eigenen dissoziativen Störungen in den autobiografischen Graphic Novels «Die Leichtigkeit» (2016) und «Weites Land» (2019) zu verarbeiten.
Die beiden Bände markierten zugleich den Abschluss von Meurisses politischen Karikaturen und waren ein persönlich gefärbter Neubeginn über die Liebe zur Literatur, zur Kunst und zur Natur. Daneben begann Meurisse auch, Strips für ein französisches Philosophiemagazin zu zeichnen.
Ansichten einer modernen jungen Frau
Aus diesen vermeintlich simplen Zeichnungen ist nun der Comicband «Allzumenschliches» entstanden, eine Sammlung von fiktiven Begegnungen mit klassischen Denkern wie Hegel, Kant, Schopenhauer oder Descartes.
Eine ideale Ausgangslage für den augenzwinkernd-anarchischen Humor von Meurisse, zum Beispiel wenn Voltaire, der Verfasser der Abhandlung «Über die Toleranz», im Traum plötzlich seine Zuhörer anbrüllt: «Wir müssen unseren Garten bestellen …! Make Garten Great Again!» Worauf der Tobende entgeistert aufwacht und konstatiert:
«Ich hab geträumt, ich werde intolerant …» Oder wenn Charles Darwin am PC eine Zoomkonferenz mit Affen einberuft – und ausgerechnet Gott als Einziger mit Mikrofonproblemen kämpft, bis ihn der Naturforscher schliesslich mit den Worten rausschmeisst: «Das nennt sich natürliche Auslese.» Da holt die 44-jährige Französin, die 2020 als erste Comickünstlerin in die Pariser Académie des Beaux-Arts aufgenommen wurde, die Philosophie nicht nur skizzenhaft elegant in die Gegenwart.
Meurisse setzt auch die überwiegend männlichen Theorien in Kontrast zu den zuweilen flapsigen Ansichten einer modernen jungen Frau. Wenn Nietzsche behauptet, «Frauen empfinden die Langeweile nicht, weil sie niemals ordentlich arbeiten gelernt haben», dann wird das von seiner Begleiterin sofort gekontert: «Stimmt, mit dir langweile ich mich nie. Aber dich zu verstehen, ist echt harte Arbeit.» Trockener kann man die klassischen Philosophen nicht auseinandernehmen.
Buch
Catherine Meurisse
Allzumenschliches, 96 Seiten
(Carlsen 2024)