Links prangt ein überdimensionales Smartphone, rechts stehen ein Tischchen und zwei Stühle. Mehr braucht Cedric Schild nicht, um die Massen zu begeistern, wenn er seine Show mit einem riesigen Satz auf die Bühne eröffnet: Seht her! Tatsächlich eilt diesem Mann, den man Supercedi nennt, der Erfolg voraus. Seit Tourbeginn Anfang 2024 war jede Vorstellung von «I de Videos bini lustiger» ausverkauft. «Dass es so gut funktioniert, empfinde ich als Riesenprivileg», sagt der 32-Jährige. Die Bühne sei die Königsdisziplin, da könne er nicht nachbessern wie in seinen Videos.
Wir treffen Schild nach dem Auftritt im Zürcher Volkshaus in der Brasserie Federal im Hauptbahnhof, wo er einen Tee bestellt, während draussen ein Sportevent namens «Zurich Games» lärmt. «Meine Social-Media-Clips sind beliebt, klar. Trotzdem hat das Publikum keinen Referenzwert für meine Darbietung als Comedian, es ist ja mein erstes Liveprogramm. Schmeisst man da nicht das Geld zum Fenster raus?»
Mit Telefonscherzen fing Cedis Karriere an
Gemach. Hunderttausende kennen seine Videos, in denen er mit Telefonscherzen mal das Schweizer Militär, mal einen Zürcher SVP-Kantonsratskandidaten veräppelte. Als «Major Schild» liess er sich vertrauliche Dokumente zuschicken, den Politiker konfrontierte er mit versuchten Stimmzettelfälschungen, ohne dass dieser intervenierte. Investigative Enthüllungen mit Lausbubencharme – das ist Supercedis Spezialgebiet. Im Volkshaus Zürich, wo Schild seine Tournee nach der Sommerpause fortführt, konnte man nun seinen jüngsten Coup erleben.
In einem Video zeigt er, wie man mit einem einzigen Schlüssel alle 2200 Duro-Mannschaftstransporter der Schweizer Armee öffnen und starten kann. Ein Skandal, eigentlich. Aber Videos sind auf der Bühne nicht alles. Schild weiss das und gibt das improvisationsfreudige Offensivtalent, tritt immer wieder mit dem Publikum in Kontakt. Mal spricht er mit einem «Schmierlappe» auf der Empore, mal lässt er einem Mann aus Greifensee, der in einer früheren Show eingeschränkte Sicht hatte, eine Flasche Bier nach hinten reichen, bevor dieser auf die Bühne darf für eine Nummer mit dem Sextouristen Walter Wiler.
«Ein Schüchelen kenne ich auf der Strasse nicht»
Er habe seit seinen Anfängen bei Radio 105 und jetzt beim Social-Media-Magazin «Izzy» unzählige Interviews auf der Strasse geführt. «Ein Schüchelen oder Fremdelen kenne ich da nicht.» Die spontanen Teile der Show seien die spannendsten, weil jeden Abend etwas anderes passiere.
Unter den Figuren in seinem Stück sind altbekannte Charaktere. Unter anderem der schwerhörige Herr Aebersold, der im Videoteaser für «I de Videos bini lustiger» eine Ticketverkäuferin zur Verzweiflung treibt. Oder Polizeipraktikant Smetterling aus der TV-Serie «Tschugger», der während eines Kostümwechsels mit dem Helikoptersimulator abhebt. Smetterling, verrät Schild, habe ursprünglich nicht gelispelt.
Das habe man erst nach dem Dreh der ersten beiden Staffeln im Tonstudio hinzugefügt. Vermutlich als Akzentuierung dessen, was dieser Techfreak alles einzustecken hat. In der ersten Staffel musste sich Smetterling in ein Plumpsklo stürzen, lag wehrlos und stumm im Spital, und auch in der letzten Folge ist er die meiste Zeit gefesselt und geknebelt. «Am Dreh hatten alle Mitleid mit diesem armen Vogel», sagt Schild lachend. «Während Cedi oft triumphiert, muss Smetterling unten durch.»
Im Restaurant interessiert ihn der Stammtisch
Dass Schild diese Rolle übernahm, war übrigens nicht selbstverständlich: «Beim ursprünglichen Casting musste ich mich zwischen zwei Figuren entscheiden. Ich nahm die kleinere Rolle, also Smetterling, um später nicht schuld zu sein, wenn ich die grössere verhauen hätte. Ich bin ja kein Schauspieler.» Nein, das ist er nicht. Aber Schild weiss, was funktioniert und wo er es abholen kann. «Wenn ich ein Restaurant betrete, schaue ich als Erstes, wo der Stammtisch ist.»
Da könne man immer etwas aufschnappen. Reiner Klamauk interessiert ihn weniger, es gehe immer um eine Message. Ob er mit solcher Herangehensweise gutgläubige Zeitgenossen wie seinen Smetterling schützen will? Schild relativiert: «Ich selbst bin alles andere als gutgläubig. Aber ich verurteile niemanden, der oder die zum Beispiel auf einen Enkeltrickbetrüger reinfällt.» Schilds 80-minütiges Video zu diesem Thema entpuppte sich ebenfalls als Hit. Vielleicht auch, weil er bei diesen Betrügergestalten sehr nahe rangehen musste.
Privatsphäre ist für Schild das höchste Gut
Lange Videos will Schild auch künftig drehen. «Wir haben ein Jahr Arbeit in ‹Die Enkeltrick Betrüger› investiert. Es wäre schade, wenn wir dieses Knowhow nicht nutzen würden.» Zur Kritik der «Republik», dass er in diesem Video Schleichwerbung betreibt, sagt Schild: «Ich bin Fan von gerechtfertigter Kritik. In diesem Fall sah ich es aber ein bisschen anders. Als Künstler kannst du es eh nicht allen recht machen. Und man sollte es auch nicht versuchen.
Sonst hast du keine Ecken und Kanten mehr.» So unkompliziert sich Schild gibt, so wenig erfährt man über ihn als Privatperson. «Wer die Artikel-History meines Eintrags auf Wikipedia studiert, sieht, dass ich diesen mehrmals löschen wollte.» Warum? «Ich finde es super, wenn sich Menschen für meine Arbeit interessieren.»
Aber die Privatsphäre sei für ihn das höchste Gut. «Zudem funktioniere ich am besten, wenn ich Ruhephasen und einen frischen Kopf habe.» Ein Bühnenprogramm bedeute Aufwand und Druck. «Aber mir ist klar: Es wird nicht ewig dauern. Du musst es jetzt geniessen.» Sagt er und trinkt seinen Tee. Dann macht sich Schild auf den Weg zum nächsten Auftritt. Draussen vor der Brasserie lärmen die «Zurich Games» weiter.
Cedric Schild: I de Videos bini lustiger
Tourneedaten: www.cedischild.ch
Aktuell: «Tschugger» kommt ins Kino
Es läuft wieder was im Wallis: Ein Senioren-Wandergrüppli entdeckt im Wald ein ausgebranntes Auto samt Leiche im Kofferraum, Möchtegern-Rapperin Valmira (Annalena Miano) treibt ihre Karriere voran, indem sie den gutgläubigen Smetterling (Cedric Schild) instrumentalisiert.
Und der ewig verpeilte Bax (David Constantin) landet mit einem Loch im Bauch im Spital. Also alles wie gehabt bei «Tschugger»? Nein, denn erstens kommt «Der lätscht Fall» erstmals ins Kino, und zweitens spitzen sich die Ereignisse dermassen zu, dass der Zuschauer bald wie ein Raclette-Ofen glüht. Besonders dann, wenn Letzterer als Folterinstrument zum Einsatz kommt.
Der grosse Schweizer TV-Hit «Tschugger» zeigt im Finale noch einmal, warum er so gut funktioniert: Es geht um Alltagsbeobachtungen mit «Beverly Hills Cop»-Touch, um vermurkste Kleingeistigkeiten, grosse Weltkrisen und um Freundschaft trotz allem, was dagegen spricht. Viel unterhaltsamer geht es nicht.
Tschugger – Der lätscht Fall
Regie: David Constantin, Johannes Bachmann,
CH 2024, 147 Min.
Ab Do, 10.10., im Kino TV
Ab So, 17.11.: www.srf.ch/play
Ab So, 24.11., 20.05 SRF 1