Clemens J. Setz: Ein Reptil unter Primaten
Der österreichische Autor Clemens J. Setz beleuchtet in seinem neuen Erzählband «Der Trost runder Dinge» das Unheimliche.
Inhalt
Kulturtipp 07/2019
Letzte Aktualisierung:
18.03.2019
Die Welt ist ein beängstigender Ort – zumindest in der Wahrnehmung von Clemens J. Setz’ Figuren. Unvermittelt packt sie im Alltag das Entsetzen über scheinbar Harmloses. Etwa der Maler Conradi, der sich vor Dingen fürchtet, die anderen Gegenständen gleichen – so wie ein Entenschnabel, der je nach Sichtweise einem Fuchs- oder Hundekopf ähnlich sieht, wie ein Foto im Erzählband belegt. Angst empfindet Conradi aber auch vor einem Sternbild, vor Ach...
Die Welt ist ein beängstigender Ort – zumindest in der Wahrnehmung von Clemens J. Setz’ Figuren. Unvermittelt packt sie im Alltag das Entsetzen über scheinbar Harmloses. Etwa der Maler Conradi, der sich vor Dingen fürchtet, die anderen Gegenständen gleichen – so wie ein Entenschnabel, der je nach Sichtweise einem Fuchs- oder Hundekopf ähnlich sieht, wie ein Foto im Erzählband belegt. Angst empfindet Conradi aber auch vor einem Sternbild, vor Achselhöhlen oder vor Frauen im Allgemeinen.
Surreal-grotesker Humor schwingt mit
In seinem zwölften Werk taucht der 36-jährige Grazer Autor in die Seelenabgründe seiner gebeutelten Protagonisten. Er eröffnet einen Blick hinter das Offensichtliche und zeigt, wie sich die Wirklichkeit durch die Perspektive seiner Protagonisten verschiebt. Seine Figuren erinnern ansatzweise an Wilhelm Genazinos genau beobachtende Antihelden, die mit der Welt nicht ganz klarkommen. Während Genazinos Figuren sich aber melancholisch ihrem Schicksal ergeben, befinden sie sich bei Setz in existenzieller Not. Angst, oft regelrechte Panik sind wieder kehrende Themen in seinen 20 Erzählungen.
Trotz dem Unheimlichen, das allen Erzählungen innewohnt, schwingt ein surreal-grotesker Humor mit. Trost finden seine Figuren in den absonderlichsten Dingen: «(…) die hasenartige Schnauze eines Kängurus, Massenschlägereien in Filmen mit Bud Spencer und Terence Hill, Boxkämpfe im Fernsehen, der Anblick von Auberginen oder Tomaten, überhaupt runde Sachen …»
Wem diese Weltsicht zu abwegig ist, der kann sich an Setz’ Sprache erfreuen. In seinen Geschichten finden sich treffende Beobachtungen und originelle Metaphern: «Vom Zuschauen wurde mir ganz abgeschliffen und murmelglatt zumute, so häufig wiederholte sich die Bewegung.» Köstlich auch die Beschreibung eines American-Football-Spiels: «Die Fans rund um ihn rasteten alle paar Minuten vollkommen aus, und er stand irgendwie im rechten Winkel zu ihrer Begeisterung. Aber er genoss diese Position auch ein wenig, eine Art Reptil unter lauter Primaten.» Funkelnde Sätze eines Autors, der wie seine Figuren etwas aus der Reihe tanzt.
Buch
Clemens J. Setz
Der Trost runder Dinge
320 Seiten
(Suhrkamp 2019)