Ein ausgelassenes Grillfest in einem bürgerlichen Vorort von Melbourne. Hector, ein griechischstämmiger Mitvierziger in der Männerkrise, hat eingeladen. Es ist wie überall auf der Welt: Freunde, Bekannte, Verwandte mit Kind und Kegel treffen sich zum Gaudi. Man amüsiert sich – einer mehr, die andere weniger. Eine friedliche Sache, wäre da nicht dieser kleine verwöhnte Rotzbengel Hugo, ein Ekel von einem Dreijährigen. Er ist der Sohn von Rosie, der Freundin von Hectors Ehefrau. Er verspielt seine Sympathien schon zu Beginn bei Erwachsenen und Kindern. Als er dann mit einem Stock auf einen Jungen losschlagen will, verliert Hectors Cousin Harry die Beherrschung. Er knallt dem kleinen Ekel eine runter. Und das hätte er wohl besser sein lassen, denn damit ist das Fest zu Ende, die Geschichte aber noch lange nicht. Hugos Mutter ist ausser sich und ruft die Polizei.
Vorfall mit Folgen
«Er wusste nicht, wen er mehr hassen sollte: Die hysterische Mutter, die ihn voll unverhohlener Verachtung angefaucht hatte, den betrunkenen, verweichlichten Vater oder das quengelnde kleine Mistvieh, das er geohrfeigt hatte.» Der Übeltäter Harry, ein Garagist, der sich aus der Unterklasse nach oben gearbeitet hat, muss sich nun mit diesem Vorfall auseinandersetzen. Das ärgert ihn sehr, denn: «Er kannte diese Leute – Schmarotzer, Jammerer, Nörgler, Opfer. Das waren die Kunden, die jedes Mal rumdrucksten und möglichst wenig Geld ausgeben wollten … – Abschaum.»
An- und Einsichten
Harrys An- und Einsichten hat der australische Schriftsteller Christos Tsiolkas in einem von insgesamt acht Kapiteln festgehalten. Dabei geht es nicht nur um das Thema Ohrfeige, Gewalt und Kindererziehung; Tsiolkas porträtiert acht Menschen dieser Partygesellschaft. Er beschreibt ihre Gefühle, Haltungen, aber auch ihr Leben und ihre Lebenslügen. Offen und ehrlich, direkt und äusserst derb. Alles kommt auf den Tisch, was die australische Mittelschicht offensichtlich ausmacht: Viel Arbeit, viel Drogen und noch mehr Sex. Selten Nettes, Liebes oder gar Sozialverträgliches. «Australier können sehr insular sein. Das Schlimmste an ihrer Kultur ist die Engstirnigkeit», bemerkt Christos Tsiolkas in einem Interview.
Tsiolkas gilt als einer der bekanntesten Schriftsteller seines Landes. Er wurde 1965 in Melbourne als Arbeitersohn geboren, studierte Kunstwissenschaften und hat schon zahlreiche Romane und Theaterstücke verfasst. Tsiolkas Eltern, Kinder griechischer Bauern, sind in den 1950er- und 1960er-Jahren nach Australien ausgewandert. Sie lernten einander in ihrer neuen Heimat kennen, heirateten und arbeiteten sich in der Arbeiterklasse hoch. Damit ermöglichten sie ihren Kindern ein besseres Leben.
Bissig und roh
Da schimmert viel Autobiografisches durch im vierten Roman von Tsiolkas. Gerade wenn es um die Frage des besseren Lebens geht. Aber auch, wenn etwa die griechischen Eltern des Protagonisten Hector zum Fest erscheinen, beladen mit Steaks, Wein und anderen griechischen Köstlichkeiten. Gut gemeint, aber gar nicht nötig und geradezu ein Affront gegenüber Hectors indisch-stämmiger Ehefrau. «Wenn Materialismus ausser Kontrolle gerät, vergiftet er Beziehungen, zwischen Kindern und Eltern, zwischen Nachbarn, zwischen Lebenspartnern», kritisiert der Schriftsteller die australische Mittelklasse. Genau dieses Bild zeichnet er von seinen Landsleuten. Hervorragend, aber so roh, so bissig, so böse, dass man zuweilen hofft, er überzeichne ein wenig.