Christoph Stiefel - «Ich bin der ewige Autodidakt»
Der Zürcher Jazzmusiker Christoph Stiefel überrascht mit einem Grossprojekt. Sonst pflegt er den groovenden Kammerjazz, liebt aber das musikalische Experiment.
Inhalt
Kulturtipp 18/2012
Frank von Niederhäusern
Seine Musik pulsiert in minimalistischen, repetitiven Mustern, wird aber nie langweilig. Auf der Basis eines immer gleichen Rhythmus’ jongliert Christoph Stiefel mit metrischen und melodischen Überlagerungen. So erzeugt der Pianist Klangfiguren, die – obwohl mathematisch «errechnet» – in hypnotischer Sinnlichkeit nachhallen.
Vor über 20 Jahren begann sich der heute 51-Jährige, mit Isorhythmen zu beschäftigen. Er übertrug e...
Seine Musik pulsiert in minimalistischen, repetitiven Mustern, wird aber nie langweilig. Auf der Basis eines immer gleichen Rhythmus’ jongliert Christoph Stiefel mit metrischen und melodischen Überlagerungen. So erzeugt der Pianist Klangfiguren, die – obwohl mathematisch «errechnet» – in hypnotischer Sinnlichkeit nachhallen.
Vor über 20 Jahren begann sich der heute 51-Jährige, mit Isorhythmen zu beschäftigen. Er übertrug eine Kompositionstechnik aus der Renaissance auf seine Jazzstücke und erzielte erstaunliche Effekte. Als erster Jazzer wandte Stiefel diese Technik auch auf Improvisationen an. Zuerst in Soloprogrammen, dann mit seinem Inner Language Trio, das er zuweilen zum Quartett erweiterte. «Diese Mehrschichtigkeit führt zu zusätzlicher Spannung», betont Stiefel, den die Isorhythmen bis heute faszinieren. Nicht nur ihn, auch zahlreiche Musiker, die in seinen Kleinformationen spielten – und ein stetig wachsendes Publikum.
«Doch das Konzept darf nicht wichtiger werden als die Musik», betont er. Als flinkfingeriger Pianist mit einer Vorliebe für Rhythmen und Beats, der früher in Funkbands spielte, hat Stiefel seine hüpfenden Kaskaden zur Meisterschaft entwickelt. Als Komponist und Arrangeur mit kreativem Forschergeist ist es ihm auch ein Anliegen, stets neue Formen und Formate zu erproben.
Erstmals Live-CD
Mit seinem Trio legt Stiefel nun erstmals eine Live-CD vor. «Im Konzert klingt meine Musik lebendiger als im Studio», begründet er. Im Frühling hat er ein Duo mit dem japanischen Tänzer Hideto Heshiki lanciert und Performances gemacht. Und demnächst feiert er Premiere mit seinem Isorhythm Orchestra.
«Meine Workshop-Studenten an der Hochschule Luzern spielen liebend gerne Isorhythmen», erklärt er. «Bald merkte ich: Das klingt ja wunderbar, weil die verschiedenen Muster entflochten und dadurch hörbarer werden.» In der Folge setzte Christoph Stiefel sich mit Ed Partyka zusammen, der in Luzern Komposition und Arrangement unterrichtet: «Denn ich bin der ewige Autodidakt und auf Beratung angewiesen.» Mit Partykas Tipps und Anregungen machte er sich daran, Trio-Kompositionen umzuschreiben. «Das war schwerer als anfänglich gedacht. Nicht alle Stücke, die im Trio funktionieren, lassen sich auf ein Grossensemble umarrangieren.» Seine Entwürfe testete Christoph Stiefel deshalb im Luzerner Workshop in Originalbesetzung.
Im Isorhythm Orchestra trifft sein neu formiertes Trio mit Bassist Arne Huber und Drummer Kevin Chesham auf die Sängerin Sarah Buechi, Trompeter Matthieu Michel, Posaunist Adrian Mears und Holzbläser Domenic Landolf. Eine wohlüberlegte Besetzung, wie der Bandleader erklärt: «Der Gesang wirkt als Kontrapunkt zum abstrakt-mathematischen Konzept. Die Posaune kann meine linke Pianohand doppeln und entlasten, was mir grössere Freiheiten gibt. Trompete, Saxofon und Klarinette sind zusätzliche Solostimmen, aber in anderen Klangfarben als mein Piano.»
[CD]
Christoph Stiefel
Inner Language Trio
Live
(Basho Records 2012).
[/CD]