Wilhelm, Heinrich, Ernst, Siegfried und Carl sprechen bei ihrem alljährlichen Treffen über ihre Zukunft: «Mit euch Rasselbande möchte ich alt werden», sagt Ernst. Siegfried stellt es sich schön und beruhigend vor: «Weil mir vor euch nichts peinlich ist.» Keiner will es zugeben, aber allen geht es gleich: Sie haben Angst vor dem Alleinsein im Alter. Die älteren Herren kaufen sich eine Villa an einem See. «Einmal Blutsbrüder, immer Blutsbrüder», sagt Carl.
Garstiger Mitbewohner
Sie erleben schöne Jahre, solange alle halbwegs mobil sind. «Offenbar kann man nicht alt genug werden, um von den vertrautesten Personen nicht etwas Neues zu erfahren», stellt Carl fest. Doch als es Wilhelm immer schlechter geht, schlägt das allen aufs Gemüt. Sie pflegen ihn abwechslungsweise – bis es ihnen zu viel wird. Dann holen sie eine Krankenschwester ins Haus. Bald muss diese sich auch um Heinrich kümmern, der an Demenz erkrankt. Er wird immer garstiger, schlurft in seinen Pantoffeln schimpfend durch das Haus und spricht in bösartigem Ton.
Den Freunden fällt es schwer, sich damit abzufinden, dass sie bald mit einer fremden Seele zusammenleben werden. Sie machen sich darüber Gedanken, wie es wohl sein wird, wenn Heinrich sie nicht mehr erkennt und nur noch wirres Zeug redet.
Für die Zukunft entwickelt Ernst ein Computerprogramm zur Sterbehilfe, weil keiner von ihnen kläglich dahinsiechen will. So kann jeder anonym einen der Freunde bestimmen, der ihn – wenn es so weit ist – erlöst. Trotz dieser Erfindung erleben sie schwierige Momente, haben nun aber weniger Angst vor dem Tod.
Mit allen Marotten
Der 51-jährige in Boston geborene Schriftsteller Christoph Poschenrieder studierte an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München. Danach besuchte er die Journalistenschule an der Columbia University, New York. Lange Zeit arbeitete er als freier Journalist und Autor von Dokumentarfilmen. Heute konzentriert er sich auf das literarische Schreiben. Sein Debüt «Die Welt ist im Kopf» mit dem jungen Schopenhauer als Hauptfigur erhielt hymnische Besprechungen und war international erfolgreich. Mit «Das Sandkorn» war er 2014 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Poschenrieder lebt in München.
Sein neuer Roman «Mauersegler» berührt den Leser mit seinen Schilderungen aus dem Leben der Alt-Männer-WG – und erzählt von ihren Macken, ihren Sehnsüchten und körperlichen Beschwerden. Die fünf Freunde könnten nicht unterschiedlicher sein und ergänzen sich gerade deswegen so gut.
Christoph Poschenrieder
«Mauersegler»
224 Seiten
(Diogenes 2015).