Das Büro, aus welchem sich Christof Hegi zum Video-Gespräch meldet, sieht gemütlich aus. Viel Holz umgibt den 65-jährigen St. Galler, der seit 30 Jahren in Saas im Prättigau lebt. Aus diesem Büro spannt Hegi Fäden in die ganze Welt. Für die diesjährige Ausgabe seines Festivals Tastentage hat er etwa den Finnen Iiro Rantala und die Kubanerin Marialy Pacheco engagiert. Zwei Grosse am Piano, die im Spätsommer in Klosters spielen werden. «Hoffentlich live», seufzt Hegi, der sein Festival mehrmals umkrempeln musste und sich für eine Tranchen-Lösung entschied, um die Chancen auf Live-Auftritte zu steigern. Die erste Tranche gibts am originalen Festival-Termin zu Ostern. «Wir werden drei Konzerte streamen, was besser ist als gar keine Musik zu Ostern», sagt er lakonisch.
Leidenschaftlicher Netzwerker
In Klosters organisiert Hegi seit Jahren Konzerte im «Kulturschuppen» am Bahnhof. «Oft fand ich es schade, Stars wie Jacky Terrasson, der sonst Hallen füllt, vor knapp 100 Leuten spielen zu lassen», sagt er. Um den Konzerten einen attraktiveren Rahmen zu geben, bündelte er sie zu einem Festival. An Ostern 2016 fanden die ersten Tastentage statt. «Tasten- statt Fastentage, um den kulturellen Osterbann zu brechen», erklärt Hegi schmunzelnd.
Dass er so grosse Namen verpflichten kann, verdankt er seiner Vergangenheit. «Ich habe seit den 80ern in Zürich Konzerte organisiert, über Jazz auch journalistisch geschrieben und dabei Netzwerke geknüpft.» Als studierter Pädagoge und Psychologe arbeitete Hegi im Bereich Berufs- und Studienberatung. Seine Kulturengagements waren nebenberuflich, aber umso leidenschaftlicher: «Bis heute organisiere ich jene Konzerte, die ich selbst gerne hören will.» In Zürich, wohin er aus St. Gallen «geflohen» sei, habe er «das Leben einer Kellerassel geführt», erinnert sich Hegi an seine bewegte Zeit. Ins geruhsame Prättigau zog er der Liebe wegen. Seiner Frau, die dort arbeitete, folgte er als begeisterter Skifahrer zuerst an den Wochenenden. Dann konnte das Paar in Saas ein altes Walserhaus kaufen. «Zürich habe ich gesehen», sagt Hegi heute. «Ich schätze die hiesigen Möglichkeiten in Natur und Kultur.»
Im Prättigau vernetzt er auch das regionale Kulturgeschehen. Er sitzt in der Kulturkommission und hat mit weiteren Veranstaltern im Prättigau den Kalender «Kulturallianz» mitlanciert. Denn Christof Hegi hat eine Mission: «Es bringt nichts, in den Bergen immer mehr Schneekanonen hinzustellen», sagt er. «Man muss sich auch Alternativen für die Zukunft ausdenken, um Gäste anzulocken. Kultur ist eine davon, und nicht die schlechteste.»
Tastentage Klosters
Gratis-Livestreams:
So, 4.4., 11.00 / 16.30 / 20.30
www.tastentage.artonair.tv
Christof Hegis Kulturtipps
Podcasts/Archiv-Rosinen Jazzchur_Exile
«Ein Zusammenschluss von fünf initiativen Gruppierungen verhilft der Jazz- und innovativen Musikszene über www.jazzchur.ch zu Aufmerksamkeit mit Podcasts, Perlen aus dem Sound-Archiv, Live-Streams.»
CD
Emile Parisien, Vincent Peirani: Abrazo (ACT 2020)
«Diese beiden wunderbaren Musiker zelebrieren mit diesem Album ihr traumwandlerisches Zusammenspiel auf Sopransax und Akkordeon.»
Buch
Brigitte Kölle/Claudia Pepper (Hg.): Die Kunst des Wartens (Klaus Wagenbach 2019)
«Ein Buch mit Beiträgen verschiedener Autoren und Fotografinnen zu einem Thema, das vielen in dieser Zeit abhandengekommen zu sein scheint.»