Wenn der St. Ursen-Brunnen auf dem Marktplatz in die Luft fliegt und das internationale Verbrechen in Solothurn Einzug hält, dann ist Christof Gasser am Werk. In seinen Krimis macht er das beschauliche Barockstädtchen zum Hotspot. «Dennoch soll die Geschichte möglichst plausibel und authentisch rüberkommen», betont der Autor beim Spaziergang durch Solothurns Gassen. So hat er sich für «Solothurn hüllt sich in Schweigen», den sechsten Fall für Dominik Dornach, von einem Zeitungsartikel über Clan-Kriminalität im Kanton Solothurn inspirieren lassen.
In Gesprächen mit der Polizei und einem Staatsanwalt hat er sich erkundigt, wie realistisch ein solcher Fall ist. Daraus hat er seine packende Handlung gesponnen, in der er wie gewohnt internationale Themen mit dem Regionalen verknüpft, etwa mit der Debatte über das Säulirennen an der Solothurner Herbstmesse. Seine Krimis reichen weit über die Kantonsgrenze hinaus. Mit dem neusten Werk ist er seit mehreren Wochen auf Platz 1 der Bestsellerliste vertreten.
Erfolgsrezept habe er keins, wichtig sei ihm aber eine komplexe Figurenzeichnung: «Die Leser wollen sich mit den Figuren identifizieren.» Diesmal komme auch Leserinnen-Liebling Dornach an die Kasse, verrät er. «Er wurde wohl noch nie so infrage gestellt wie in diesem Fall.» Starke Frauenfiguren sind ihm ebenso ein Anliegen. «Die sind einfach interessanter – und ich bin selbst mit so einer Frau verheiratet», meint der Autor, der mit seiner Angetrauten am Jurasüdfuss lebt, schmunzelnd.
«In der Literaturkritik nicht wahrgenommen»
Wenn das Gespräch auf das angeschlagene Image des Regiokrimis kommt, kann er sich auch mal richtig ärgern. «Klar gibt es in diesem Genre qualitative Unterschiede in Sprache und Dramaturgie», sagt Gasser, der selbst auf eine klare Sprache achtet. «Aber es ist so ein reiches und vielschichtiges Genre, das in der Literaturkritik schlicht nicht wahrgenommen wird.»
Kürzlich fand das von Gasser initiierte 2. Schweizer Krimifestival in drei Landessprachen statt. Weder hatte SRF Interesse an einer Berichterstattung, noch stiess er an den Solothurner Literaturtagen mit seiner Idee für ein «Forum für Kriminalromane» auf offene Ohren. «Jedes dritte Buch, das über den Ladentisch geht, ist ein Spannungsroman, da muss es dafür doch auch Platz haben!» Er selbst ist spät zum Krimi gekommen, obwohl das Schreiben ein Kindheitstraum war.
«Früher gab es diese Möglichkeiten nicht, so habe ich eine kaufmännische Lehre gemacht.» Lange war er in der Uhrenindustrie tätig, war in Thailand und Malaysia für die Produktion zuständig. Durch dieses finanzielle Polster kann er sich nun «den Luxus des Krimischreibens» leisten. Der Rundgang, auf dem Gasser zu seinen «Mords-Ecken» führt und historische Einblicke gibt, endet bei der Hafenbar an der Aare. Hier treffen sich seine Ermittler jeweils zum Feierabend-Bier und tüfteln am neusten Fall.
Lesung
Do, 12.10., 19.30
Literatur & Bühne Olten SO
Christof Gassers Kulturtipps
Stream
Enola Holmes (Netflix 2020)
«Rasanter und humorvoller Krimi über eine junge Frau im London des 19. Jahrhunderts, die in die Fussstapfen ihres älteren Bruders Sherlock treten will. Ich habe mich zwei Stunden lang amüsiert. Film in Originalversion streamen!»
Buch
Peter Weingartner: Vollmondhonig
(Edition 8 2022)
«Ein bild- und wortgewaltiger Krimi über einen Ritualmord bei einer Burgruine bei Sursee mit dem originellen Ermittler Anselm Anderhub. Ich fand mich zwischen Dürrenmatt und Glauser wieder.»
Theater
Switzerland
«Zweipersonen-Thriller um die US-amerikanische Autorin Patricia Highsmith, die im Tessin einen letzten Roman mit Tom Ripley schreiben soll. Muss ich sehen.»
Premiere: Do, 26.10., 19.30
Stadttheater Solothurn