Christian Schmid - «Grenzräume bedeuten mir Heimat»
Seine Wortgeschichten begeistern Mundartfreunde: Christian Schmid erzählt sie wöchentlich auf DRS 1 – und in Buchform.
Inhalt
Kulturtipp 02/2012
Letzte Aktualisierung:
15.11.2013
Frank von Niederhäusern
Bei den «Bigudii» hegt er gewisse Zweifel. Dennoch führt Christian Schmid wortreich aus, dass das alte Mundartwort für «Lockenwickler» wohl eher aus dem Italienischen als aus dem Französischen stammt. Weit sicherer ist er sich, weshalb die Schweizer «chlütterle» sagen, wenn sie basteln, oder eine Sache «süüferli» angehen statt «entschleunigt». Seine Wortgeschichten erzählt der Mundartspezialist seit...
Bei den «Bigudii» hegt er gewisse Zweifel. Dennoch führt Christian Schmid wortreich aus, dass das alte Mundartwort für «Lockenwickler» wohl eher aus dem Italienischen als aus dem Französischen stammt. Weit sicherer ist er sich, weshalb die Schweizer «chlütterle» sagen, wenn sie basteln, oder eine Sache «süüferli» angehen statt «entschleunigt». Seine Wortgeschichten erzählt der Mundartspezialist seit über 20 Jahren in der DRS-1-Sendung «Schnabelweid». Und im November ist «stuune» erschienen, sein drittes Buch mit Wortgeschichten. Was auffällt: Der Linguist wirkt niemals dozierend. Seine Geschichten sind eingängig, spannend und machen Lust auf mehr.
«Wortgeschichten erhellen Zusammenhänge zwischen der Sprache und der Welt», erklärt Schmid seinen Erfolg beim DRS-1-Publikum. Nicht minder wichtig ist die Wirkung seiner Leidenschaft, seines Esprits und seines Lachens. Weshalb liefert Schmid in Büchern nach, was schon am Radio zu hören war? «Im Buch kann ich ausführlicher sein», sagt er. Zudem habe er für «stuune» auch neue Wortgeschichten geschrieben, etwa zu «Chnöpf», «Gränze» oder «tanze». Dieser Drang zur Vertiefung zeigt, dass Radiomensch Schmid, der seit 1988 bei DRS 1 arbeitet und nebst der «Schnabelweid» auch für «Siesta» oder «Doppelpunkt» Beiträge realisierte, aus der Wissenschaft kommt. Ursprünglich Chemielaborant, studierte er in Basel und New York deutsche und englische Philologie. An der Uni Basel war er als Assistent tätig, in Zürich als Dozent. 13 Jahre lang hat er nebenamtlich am Sprachatlas der deutschen Schweiz mitgearbeitet.
Schmids unstillbares Interesse an Sprachen – der eigenen und vor allem auch anderen – hat mit seiner Biografie zu tun. «Drei Jahre ausgenommen, habe ich immer an Grenzen gelebt», sagt er, der 1947 im jurassischen Rocourt geboren ist, lange in Basel lebte und heute in Schaffhausen. «Wenn etwas für mich Heimat bedeutet, dann Grenzräume.»
Diese wird er bald intensiver erkunden können. Ende Mai wird Christian Schmid pensioniert. Was ihm nicht leichtfällt. Mit seinem Nachfolger, dem Basler Dialektologen Markus Gasser, und seinem bisherigen Kollegen Christian Schmutz wisse er aber «zwei qualifizierte Schnabelweider» am Werk. «Das macht mir den Abgang, neben der verdrückten Träne, auch leicht.»
Projekte «für danach» hat Schmid zuhauf. «Ich habe im Sinn, ein gut lesbares Buch über Mundart-Wortkunst in der Schweiz zu schreiben.» Sodann plant er neue Geschichten zu Küchenwörtern, eine Fortsetzung seines Romans «Nebenaussen» und freut sich darauf, das zurückzugewinnen, was ihm im hektischen Medienalltag verloren ging: «Spontanes Sein mit allen Sinnen. Wo es schön ist, auf einem Bänkli sitzen und träumen.»
[Buch]
Buch
Christian Schmid
«stuune», 222 Seiten
(Cosmos Verlag 2011).
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