Jazz
Innert dreier Jahre ist dieses eigenwillige paneuropäische Trio zur gefeierten Konzert- und Festivalband gewachsen. Klar: Luciano Biondini, der quirlige Akkordeonist aus dem umbrischen Spoleto, Michel Godard, der atemberaubende Tubist aus Paris, und Lucas Niggli, der hellhörige Perkussionist aus dem zürcherischen Uster kennen sich seit Jahren aus diversen Band-Konstellationen. Doch als Trio haben sie unvergleichliche Soundfarben und eine Spielenergie von ansteckender Intensität. Ihre Stücke sind Landschafts- und Traumbilder, die in erdig-vollen Farben schillern, nach Meer und Alpenwind duften und in transalpin beschwingten Idiomen ertönen. «Mavì» nennen die drei Hochleistungsmusiker ihre zweite CD. Das ist umbrisch und bedeutet blau: So blau, wie das Meer des Südens bei Flaute und der Himmel des Nordens bei Föhn.
Frank von Niederhäusern
CD-Taufe
Di, 1.10., 20.30., Moods Zürich
Sounds
Comeback der Syntie-Sirenen
Filmregisseur David Lynch hatte sich vor Jahren als ihr grösster Fan geoutet. Keine schlechte Referenz für die drei Synthie-Pop-Sirenen aus Brooklyn. Unter dem Bandnamen Au Revoir Simone fanden sie mit elektronischer Musik und einnehmendem Gesang viel Anklang. Drei Alben lang – bis 2009 vorläufig Schluss war. Nach zahlreichen Tourneen haben sich Heather D’Angelo, Erika Forster und Annie Hart anderweitig beschäftigt: Ein Umweltbiologie-Studium abgeschlossen, eine Soloalbum eingespielt, Filmmusik geschrieben. Bis man nun wieder zusammenfand für Album Nummer 4. «Move In Spectrums» ist gereifte Elektromusik, eingängig, ja gefällig, aber nicht in einem abschätzigen Sinn. Keine sperrigen Underground-Frickeleien, sondern beschwingt-tanzbarer Synthesizer-Sound aus altertümlichen Geräten. Urs Hangartner
Konzerte
Di, 24.9., 21.00 Südpol Luzern
Mi, 25.9., 20.00 Stall 6 Zürich
Klassik
Netrebkos Heroinen
Anna Netrebko hat sich von den jungen Mädchen auf der Opernbühne verabschiedet und den Heroinnen zugewandt, den dramatischen Frauengestalten von Puccini, Verdi und Wagner. Das passt zu ihrer intensiven Bühnenpräsenz. Stimmlich ist sie aber noch nicht ganz dort angekommen: Das hässliche, raue Singen der Lady Macbeth klingt noch etwas arg schön. Aber immer wenn sie in die Höhe entschwebt, ist man versöhnt – und entschädigt.
Gabriela Kägi, Radio SRF 2 Kultur
Anna Netrebko
Verdi
(DG 2013).
4/5
Gut gewürzt
Barockgeigerin Meret Lüthi hat «exotische Musik» gesucht und bei Biber, Fux und Schmelzer gefunden. «Spicy» taufte sie die CD mit dem Berner Originalklang-Ensemble Les Passions de l’Ame. So spielen sie auch: Wild, wirblig, über die Grenze zum Geräuschhaften hinaus. Mit Ruhepunkten, dann wieder tänzerisch aufgedreht oder lustvoll lautmalerisch in den hinreissenden Tierstimmen-imitationen Bibers oder der illustrativen «Türkenschlacht» von Schmelzer. Reinmar Wagner
Biber – Fux – Schmelzer
Les Passions de l’Ame. Spic «Exotic» Music for Violin.
(DHM 2013).
5/5
Jazz
KEINE ENGEL
Zwei Flügel, aber keine Engel: Das Klavierduo des Esten Anto Pett mit dem Schweizer Christoph Baumann geht lustvoll und keck zur Sache. Ihre meist vitalen Improvisationen bestechen durch Geschliffenheit, Selbstorganisation und dramatischem Einsatz der Mittel. Sie verschmelzen selektiv moderne Klassik mit Free Jazz – ständig in engster Tuchfühlung und kaum erkennbar, wer welchen Trumpf spielt. Zehn spannende Spontankompositionen. Jürg Solothurnmann
Anto Pett/Christoph Baumann
Northwind Boogy
(LEO Records 2013).
5/5
EXOTISCH SCHÖN
Posaunist Nils Wogram scheint unablässig neue Musik zu erfinden. Sein Output an Kompositionen für verschiedene Bands ist nicht nur quantitativ immens, seine Stücke klingen auch immer anders. Nun hat er sein Langzeitquartett Root 70 um drei Streicher ergänzt. «Riomar» ist aber Welten entfernt von seichtem Säuseljazz. Die Klassiker nehmen zentrale Plätze auch als Improvisatoren ein. Das Septett erzeugt Klangstimmungen von betörend exotischer Schönheit.
Frank von Niederhäusern
Nils Wogram Root 70
with Strings
Riomar
(nwog 2013).
5/5
Sounds
FREUDIGE RÜCKKEHR
Lange hat man auf sie warten müssen. Man hat gebangt, ob sie wiederkehren. Jetzt sind die schottischen Travis mit ihrem siebten Album «Where You Stand» zurück. Fünf Jahre Pause liegen zwischen dem neuen Werk und der Vorgänger-CD. Erfreulicher Befund: Sie können immer noch ohrwürmelnde Melodien im Geist des Brit-Pop schreiben. Das Flair für leicht hymnische, aber nie pompöse Songs ist der Band um Sänger Fran Healy geblieben. Schön, spielen sie weiter. Urs Hangartner
Travis
Where You Stand
(Rough Trade 2013).
4/5
CLEVERE SCHWENKER
Patrice beginnt sein sechstes Studiowerk «The Rising Of The Son» mit just jenen Stimmverfremdungseffekten aus dem Computer, die zu den ärgerlichsten Klischees der aktuellen Popmusik gehören. Sehr bald entwickelt sich die Eröffnungsnummer «Alive» aber zum eigenwilligen Mix zwischen Dub und Dancehall. Nach diesem überraschenden Einstieg bleibt Patrice dem Roots-Reggae weitgehend treu, doch glücken ihm immer wieder ähnlich clevere Stilschwenker. Nick Joyce
Patrice
The Rising Of The Son
(Supow Music/TBA 2013).
3/5
World
ENERGETISCHER FLUSS
Wie eine rankende Pflanze bahnt sich diese Musik ihren Weg mit unerwarteten Wendungen und expressiven Verzierungen. Im Mittelpunkt steht die Geigerin Jyotsna Srikanth, eine Meisterin der süd-indischen karnatischen Musik. Inmitten der kunstvollen Girlanden kreiert sie in sich stimmige, weite musikalische Bögen: Die Musik bleibt in einem frischen energetischen Fluss, der selbst beim längsten, rund 40-minütigen Stück der CD nie abbricht.
Cécile Olshausen, Radio SFR 2 Kultur
Jyotsna Srikanth
Call of Bangalore
(Riverboat 2013).
5/5
PACKENDE MELANCHOLIE
Schier unerschöpflich scheint auf den atlantischen Kapverden das Reservoir begabter Stimmen: Wieder betritt eine neue Sängerin die Bühne. Neuza transportiert auf ihrem Erstling die unverkennbare Melancholie der kapverdischen Musik. Gleichzeitig bringen da und dort dezente, von einem Hauch Latin-Rhythmen geprägte Klavierläufe eine gewisse Eleganz ins Spiel. Neuzas grösste Trümpfe sind ihre packende Stimme und ihr ausdrucksvoller Gesang. Claudine Gaibrois
Neuza
Flor di Bila
(Harmonia 2013).
5/5
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