Jazz
Kunstvoll verschlaufter Groovejazz
Was für ein Coup! Ein serbischer Trompeter, der in Berlin als klassischer Musiker lebt, gibt auf einem Schweizer Label ein Jazzalbum heraus. Und dieses ist von solch stupender Originalität und Qualität, dass man seinen Ohren nicht traut. Damir Bacikin (33) und sein Oktett Outloud aus Bläsern, Vibrafonist und Rhythm Section liefern einen geschmeidig-satten Groovejazz, der sich in den Hörgängen festhakt. Die Kompositionen sind ausgetüftelte Mixturen aus Jazz, Klassik und Folklore. Die Melodielinien und Soloparts sind dem aktuellen Urbanjazz New Yorkscher Prägung entliehen. Die Bläsersätze erinnern an Balkanbrass und Miles Davis, die Harmonien an europäische Kammermusik und Frank Zappa. Die Rhythmen verschlaufen osteuropäische Tänze, Drum ’n’ Bass und HipHop-Beats. An seinen Kompositionen hat Bacikin 20 Jahre lang gefeilt. Der Aufwand hat sich gelohnt, «Graduation Day» ist ein grandioser Erstling. Frank von Niederhäusern
Damir Outloud
Graduation Day
(Unit Records 2013).
Sounds
Gospel für das 21. Jahrhundert
Es ist bereits die zweite Zusammenarbeit zwischen Soul-Diva Mavis Staples und Jeff Tweedy, dem Frontmann der Indie-Band Wilco aus Chicago. Nach «You Are Not Alone» (2010) hat der rund drei Jahrzehnte Jüngere wieder ein Album der 74-Jährigen produziert. Tweedy steuerte drei Songs bei und spielte die meisten Instrumente gleich selber. Am Schlagzeug: Tweedys Sohn Spencer. Weitere Titel stammen vom englischen Songwriter Nick Lowe, von Alan Sparhawk, aus dem Repertoire von Funkadelic oder von Mavis’ Vater Roebuck «Pops» Staples. So spannt sich der musikalische Bogen auf «One True Vine» gleich über mehrere Generationen, um stimmig in einem Album zu münden, das im weitesten Sinn der «Seelenmusik» verpflichtet ist. Als eine Art «Gospel für das 21. Jahrhundert», interpretiert von einer grossen Stimme, die im Alter fit geblieben und natürlich etwas dunkler geworden ist. Berührend. Urs Hangartner
Mavis Staples
One True Vine
(Anti 2013).
Klassik
Stilles Leuchten
Sehr speziell dürfte manchem die Musik dieser CD vorkommen. Es sind einfache Klavierklänge, repetitiv und in Passagen geradezu ein wenig hypnotisierend. Musik ohne jede Virtuosität, still, nackt oder eher weiss – und dabei von einem ungewöhnlichen Leuchten. Die beiden Klavierwerke des Aarauer Komponisten Jürg Frey, hier von R. Andrew Lee behutsam und ohne Hast gespielt, spannen sich über weite Zeitstrecken und laden zum Einhören. Thomas Meyer, SRF 2 Kultur
Jürg Frey
Piano Music
(Irritable Hedgehog Music 2013).
4/5
Fuego und Fiesta
Der junge Geiger Augustin Hadelich ist als Kind deutscher Eltern in der Toscana aufgewachsen und lebt heute in New York. Mit seinem Instrument verfügt er über eine unangestrengt mühelose Akrobatik sowie eine breite Palette an Farben und Ausdrucksnuancen. Und einen Gitarristen, der für Fuego und Fiesta sorgt. Das Spiel mit den bekannten Melodien von Sarasate, de Falla, Paganini und Piazzolla bleibt angenehm unaffektiert und lustvoll entspannt. Reinmar Wagner
Augustin Hadelich,
Pablo Sáinz Villegas
Histoire du Tango
(Avie 2013).
5/5
Jazz
Mediterrane Leichtigkeit
Fast jeder italienische Jazzer spürt den Bebop, vielen kann es nicht virtuos genug sein. Nicht Giovanni Guidi: Der Pianist, der bei Übervater Enrico Rava seine Sporen abverdient hat, liefert ein Debütalbum mit unaufgeregtem Klaviertrio-Jazz. Virtuos, aber mit aufmerksam gestalteten Klangreisen. Mit seinen Partnern Thomas Morgan am Bass und João Lobo am Schlagzeug schafft er Musik von überwältigender Klangfülle und mediterraner Leichtigkeit. Beat Blaser, SRF 2 Kultur
Giovanni Guidi Trio
City of Broken Dreams
(ECM 2013).
4/5
Zum Mitsummen
Einmal mehr tritt Christoph Irniger mit einer neuen Formation an. Diese klingt erneut anders als seine bisherigen Bands. Und wieder überrascht der Zürcher Saxofonist mit Hochqualitätsmusik. Zudem gelingt es ihm und seinen Mitspielern, Raffaele Bossard am Bass und Ziv Ravitz an den Drums, ihre dicht verschachtelten Kompositionen mit spielerischer Leichtigkeit zu interpretieren. Sie erklingen wie altbekannte Songs und laden zum Mitsummen ein. Frank von Niederhäusern
Christoph Irniger Trio
Gowanus Canal
(Intakt Records 2013).
5/5
Sounds
Fusion-Soul
Thundercat ist als Session- und Tourbassist von Pop-Grössen wie Erykah Badu oder den Red Hot Chili Peppers bekannt. Mit diesem Album erinnert der Bassist aus L.A. an den verstorbenen E-Bass-Virtuosen Jaco Pastorius. Mit grosser Spielfreude und Leichtigkeit schafft er es, komplexe Jazz-Harmonien mit Soul-Vocals und aktuellen Beats zusammenzuführen. Musikalischer Anspruch mündet hier in Spass und emotionale Tiefe. Eine wahre Entdeckung. Silvio Biasotto
Thundercat
Apocalypse
(Brainfeeder/Namskeio 2013).
4/5
Polarisierend
Seit ihrem ersten Country-Hit «Blue» im zarten Alter von 13 Jahren steht LeAnn Rimes im öffentlichen Scheinwerferlicht. Jetzt macht sie mit 30 auf «Spitfire» ihre emotionale Achterbahnfahrt der letzten Jahre zum zentralen Thema. Sie ist nicht nur eine Feuer und Galle speiende Giftnudel; am anderen Ausschlag des Pendels hadert sie mit Selbstzweifeln und Schuld. Es ist der Stoff für ihr persönlichstes und bestes Album. Und das polarisierendste. Geri Stocker, SRF 3
LeAnn Rimes
Spitfire
(Curb 2013).
4/5
World
Flamenco goes Jazz
Buika zeigt sich für einmal von einer sanfteren Seite. Das liege am Umzug nach Miami, von wo aus sie den panamerikanischen Markt erobern wolle, monieren manche. Doch die Spanierin mit afrikanischen Wurzeln verfolgt schlicht ihren früheren Weg weiter: Sie mischt Nuevo Flamenco lustvoll mit jazzigen und afrokubanischen Klängen. Das funktioniert wie immer bestens. Faszinierend bleibt auch Buikas leicht heisere, alles andere als gefällige Stimme. Claudine Gaibrois
Buika
La noche más larga
(Warner Music Latina 2013).
5/5
Tropische Küsten
Am Paléo Festival Nyon ist eine von sechs Bühnen ganz der World Music gewidmet. Immer wird sie zu einem regionalen Schwerpunkt programmiert. 2013 düst dieses «Village du Monde» an den indischen Ozean – zu hören gibt es Bands aus Madagaskar, La Réunion, Südafrika, den Komoren, Mauritius, Kenya, Tansania etc. Wer es nicht nach Nyon schafft, bekommt einen prima Überblick auf dem dazugehörigen Album, das 15 Bands porträtiert. Marianne Berna, SRF 3
V.A.
Océan Indien – Paléo Festival 2013. Village du Monde
(Disques Office 2013).
4/5