World
Der kubanische Volksglaube Santería ist eine Mischform aus urreligiösen und katholischen Elementen. Yilian Cañizares ist mit ihm aufgewachsen. Ebenso hat sie die sprachliche und ethnische Durchmischung auf Kuba geprägt. Nun trägt sie diese Erfahrung in die Welt hinaus mit ihrer Geige, die sie in Havanna mit russischer Disziplin zu spielen lernte. Später studierte sie in Caracas, seit einigen Jahren lebt und arbeitet sie in Lausanne. Diesen vielfältigen Hintergrund bündelt Cañizares in einer fulminanten Debüt-CD. Begleitet von drei herausragenden Instrumentalisten aus Kuba, Venezuela und der Schweiz, paart die junge Kubanerin europäische Klassik mit karibischen Rhythmen, technische Virtuosität mit nonchalenter Spielfreude. Und über allem singt sie mit warmer Altstimme Texte in Spanisch und Kreolisch. Eine wunderschöne Reverenz an Ochumare, die Yoruba-Göttin des Regenbogens. Am Sa, 14.9., gastiert Cañizares im Zürcher Moods.
Yilian Cañizares
Ochumare
(Naïve 2013).
Frank von Niederhäusern
Klassik
Unheimliche Höhensicherheit
Allabendlich wagt sie sich aufs Hochseil, und doch könnte es nicht besser laufen für Olga Peretyatko. Eben noch wurde die 33-jährige Koloratursopranistin bei den Salzburger Festspielen in Mozarts virtuosem Jugendwerk «Lucio Silla» bejubelt, nun liegt ihre zweite Sony-CD vor. Hochvirtuos sind die auf «Arabesque» vereinten Arien – der Beginn ganz im Salzburger Mozart-Geist, auch wenn die Arien aus Mozarts mittlerer Wiener Zeit stammen. Die Russin bezaubert durch glasklare Koloraturen und eine unheimliche Höhensicherheit, aber noch viel mehr durch ein sehr eigenes Timbre, silbern mit einer hauchdünnen Schicht Blattgold überzogen. Über Rossini gehts zu Bellini, schliesslich zu Raritäten von Georges Bizet, Eva Dell’Acqua, Luigi Arditi und Alexander Alabieff, um dann in Johann Strauss’ «Fledermaus» die verschlagen kecke Seite der Stimme zu zeigen.
Olga Peretyatko
Arabesque (Sony 2013).
Christian Berzins
Klassik
Gesangliche Finesse
Hier herrscht die grosse Geste vor. Alan Curtis hält sich und sein Instrumentalensemble «Complesso Barocco» nicht mit akribischer Detailarbeit auf. Stattdessen entwerfen die Italiener eine schlüssige Dramaturgie zu Antonio Vivaldis unvollständig überliefertem Musikdrama «Catone in Utica». Dieses wurde von Alessandro Ciccolini stimmig ergänzt. Gestalterische Finesse findet sich im Gesanglichen, dominiert von Ann Hallenbergs virtuosem Mezzosopran.
Fritz Trümpi
Vivaldi
Catone in Utica
(Naïve 2013).
3/5
Klassik
Italienischer Bach
«Wir sind alle Pilger, die wir Italien suchen.» So Goethes Worte. 100 Jahre zuvor hatte Johann Sebastian Bach Italienisches in Töne gesetzt, ohne je dort gewesen zu sein: Er beherrschte den italienischen Stil wie kaum ein anderer. Noch mehr überrascht, was der Schweizer Pianist Olivier Cuvé aus dieser bachschen Italianità macht: Eine innige, sensible, äusserst feinnervige Interpretation von Bachs italienisch inspirierter Musik auf dem modernen Flügel – grosse Klasse!
Annelis Berger
J.S. Bach – Olivier Cuvé
Nel gusto italiano
(Aeon 2013).
5/5
Jazz
Robuste Sensibilität
Das neue Album von Michael Jaeger schert sich einen Deut um Trends und Exzess. Da ist ein behutsames Ausloten von den Jazz-Traditionen her, verbunden mit einer eigenen robusten Sensibilität. Der Zürcher Saxofonist überrascht auf seinem dritten Kerouac-Album mit melodischen Fährten, Klang-Neugier und balladesker Affinität. Eine tolle Band, die in ihrer Schlichtheit trotzdem nie die simplen Wege geht, sondern mit den «Knochen des Jazz» zu tanzen beginnt. Pirmin Bossart
Michael Jaeger
Kerouac: Dance
Around In Your Bones
(Intakt Records 2013).
4/5
Jazz
Sattes «Brown»
Im Kleinformat eines Pianotrios kommt am besten zum Tragen, was den Bassisten Christian McBride ausmacht: Ein grosser, fetter Groove. Und wenn dieser eine Farbe hätte, wäre das ein sattes «Brown». James Brown und Ray Brown sind McBrides musikalische Hausgötter. Mit Schlagzeuger Ulysses Owens Jr. und Pianist Christian Sands geht zwischen diesen Polen in Eigenkompositionen und Standards die Post ab. Mehr McBride ist auf einer CD nicht zu haben.
Peter Bürli, SRF 2 Kultur
Out Here
Christian McBride
(Mack Avenue 2013).
5/5
Sounds
Funkiges Orange-Braun
Da ist einer auf den Geschmack von gestern gekommen. Genauer: Die Seventies haben es dem Basler Keyboarder und Sänger Tom Swift (The Scrucialists) bei seinem zweiten Sologang angetan. Im Geiste der von Orange-Braun geprägten Musik-Ära macht er seine heutigen Sounds. Da hat es Reggae-Rhythmen, viel Soul und Funk – kompetent angerichtet. So kann man sich an groovigen Sounds erfreuen, die keinen Rückschritt bedeuten. Und erst noch tanzbar sind. Urs Hangartner
Tom Swift
Dress Up
(Irascible 2013).
4/5
Sounds
Bestechende Bandbreite
Die gebürtige Russin Ekaterina Borkova hat einen langen Weg hinter sich, fand via
St. Petersburg ihr Zuhause im Tessin. Dort gaben ihr zwei Produzenten die kreative Freiheit, aus welcher das Debütalbum «Veramellious» entstand. Es besticht durch eine Bandbreite, wie man sie von einer so jungen Sängerin selten hört: Wild, sanft, brachial, sentimental und frech. Alles in allem ein mutiges und kompromissloses Album einer herausragenden Sängerin.
Dominique Iten, SRF 3/SRF Virus
Ekat Bork
Veramellious
(GinkhoBox 2013).
5/5
World
Bauerngesang
Ein Bauer steht auf seinem Feld und singt Geschichten von seinem Land. Insekten sirren dazu, im Hintergrund zwitschert ein Vogel. Die Farmer der kolumbianischen Kleinbauergemeinde Las Pavas sind in der letzten Dekade mehrmals enteignet worden, um Palmölplantagen Platz zu machen. Von ihrem Zorn, ihren Erinnerungen und Hoffnungen handeln die eindringlichen Widerstandslieder. Lieder, gesungen ohne Begleitung, von wunderbaren Stimmen.
Thomas Burkhalter
V.A.
Les Voy A Cantar La Historia
(Via http://lesvoyacontarlahistoria.com).
5/5
World
Musik aus dem Wasser
Wie klingt Musik von den Seychellen? Bergitta Victor gibt die Antwort. Mit einer Stimme, so glasklar und warm wie das Meer zwischen den 115 Inseln ihrer Heimat. Mit einer Musik, die sich aus afrikanischer Hymnik ebenso nährt wie aus karibischen Rhythmen und Hinwendungen an westlichen Nu-Soul. Victor würzt den satten Happysound ihrer dritten CD mit teils engagierten Kreoltexten über einsames Inseldasein und die Hoffnung auf eine friedliche Welt.
Frank von Niederhäusern
Bergitta Victor
On A Journey
(Jazzhaus 2013).
4/5