Lillian wohnt seit kurzem in einem kleinen Nest im US-Bundesstaat Vermont, wo Fremde nie heimisch werden. Sie ist mit ihrem Freund hierhergezogen. Nun ist dieser abgehauen und hat sie alleine zurückgelassen. Damit nicht genug: Auch ihre Katze ist tot. Sie lag mit durchschnittener Kehle auf der Vordertreppe des Hauses. Umgebracht von einem Unbekannten, von dem sich die junge Frau zusehends bedroht fühlt.
Deshalb geht sie mit der toten Katze zum Sheriff und beklagt sich. Dieser glaubt zu wissen, wer der Bösewicht ist. «Blackway», sagt er, «ich kenne Blackway, die meisten hier kennen ihn. Kaffee?» Kaffee ja, doch weitere Hilfestellungen erhält Lillian vom Ordnungshüter nicht, denn dieser gesteht: «Das Gesetz kann Ihnen nicht helfen.»
Die Jagd beginnt
Blackway gehört offenbar zu den Gesetzlosen im Land. Genauso wie Whizzer, auf den der Sheriff die junge Frau verweist. Der Mann sitzt nach einem Arbeitsunfall seit Jahren im Rollstuhl und trifft in seiner stillgelegten Fabrik täglich Kumpels auf ein Bier oder zwei. Er kennt die Leute in der Umgebung, kennt auch Blackway – fürchtet ihn genauso wie alle andern. Wo er sich aufhält, weiss auch Whizzer nicht. Trotzdem stellt er Lillian zwei Helfer zur Seite, die ihr auf der Jagd nach dem Gefürchteten helfen sollen. Es sind zwei seltsame Gestalten, die weder gerissen noch schlagkräftig wirken. Nate the Great ist zwar gross und stark, aber «keiner, der viele Bücher las, keiner, der viele Worte machte. Intelligenter als ein Pferd, aber nicht so intelligent wie ein Traktor.» Lester Speed, der zweite im Bund, wirkt etwas klüger, doch er ist alt und längst nicht mehr im Besitze seiner vollen Manneskraft. Zu schwer hatte er Zeit seines Lebens gearbeitet. «Die Jahre und das Wetter nagten an ihm wie an einer alten Scheune oder an einem alten Wagen.» Trotz aller Bedenken macht sich Lillian mit den beiden auf die Suche.
Der Schriftsteller Castle Freeman, 1944 in Texas geboren, wuchs in Chicago auf. Nach seinem Studium in New York arbeitete er als Korrektor, Lektor, Redaktor, schrieb Kolumnen für Zeitschriften und Magazine. 1972 zog Freeman mit seiner Frau nach Vermont aufs Land mit Bergen, Bächen, Wäldern und Mooren.
Wortkarger Schlag
«Männer mit Erfahrung» ist Castle Freemans erster Roman, der auf Deutsch erscheint. Er spielt wie die meisten seiner Geschichten in Vermonts gottverlassenem Hinterland. Dunkle, seltsame Typen bevölkern die Erzählung des 72-Jährigen: hartgesotten, kauzig und starrsinnig zwar, doch tief im Herzen hilfsbereit und gut. Freeman charakterisiert diesen wortkargen Menschenschlag mit knappen Dialogen, die oft ins Nichts zu führen scheinen. Was zu Beginn der Geschichte an Samuel Becketts Theaterstück «Warten auf Godot» erinnert, wird bald zu einer rasanten Story in US-amerikanischer Wildwest-Manier. Und wie es sich für einen Western gehört, gibt es mindestens einen Toten. Eine köstliche Lektüre mit pointierten Konversationen – witzig, schräg und sonderbar.
Buch
Castle Freeman
«Männer mit Erfahrung»
Erstausgabe: 2008
Erstmals auf Deutsch bei Hanser 2016.