Seit der Erfindung von iPhones und ähnlichen elektronischen Gadgets, die Leute mit sich führen und auf die sie unentwegt starren, soll die Sichtung von Ufos drastisch zurückgegangen sein. Kürzlich bin ich jedoch nächtens aufgewacht – es war halb eins von einem Sonntag auf den Montag –, schaue an den Himmel und erblicke eine ganze Flotte von stark leuchtenden elliptischen Objekten, die sich über das nachtschwarze Firmament bewegen. Ich öffne das Fenster: Keinerlei Motorengeräusch. Ein paar Nachzügler kommen noch hintendrein.
Da es sich dabei weder um Flugzeuge,
Glühwürmchen noch um Sternschnuppen gehandelt hat, müssen es im buchstäblichen Sinne Ufos gewesen sein, unidentified flying objects. Bei dieser Gelegenheit kam mir in den Sinn, dass ich schon im vergangenen Sommer auf einer Bündner Alp zu nachtschlafener Zeit eine grosse Lichterscheinung lautlos über den Himmel habe fliegen sehen, die ich mir nicht erklären konnte. Dies habe ich jedoch verdrängt. Man lebt schliesslich nicht gerne mit Dingen, auf die man sich keinen Reim machen kann.
Dann habe ich den Film «Magnolia» (1999) von Paul Thomas Anderson wieder gesehen. Gegen Ende des Filmes lässt der Regisseur Frösche über ein pervertiertes, neurotisches Amerika regnen. Dabei handelt es sich um eine der biblischen Plagen, denn Frösche liess der Herr schon über Ägypten kommen, wie es in «Exodus», dem zweiten Buch Moses, geschrieben steht. Weil der Pharao die Israeliten nicht ziehen lassen wollte, liess Jahwe seinen Diener Moses diesem drohen: «Lässt du uns nicht ziehen, so bringe ich die Froschplage über das Land. Der Nil wird von diesen Viechern wimmeln; sie werden heraufkommen und in dein Haus eindringen, in dein Schlafgemach, auf dein Bett werden sie kommen, in die Häuser deiner Diener und deines Volkes, in deine Backöfen und Backschüsseln.»
Aaron streckte dann auf Geheiss Jahwes seine Hand über die Gewässer Ägyptens aus, und da stiegen doch tatsächlich Frösche herauf und bedeckten das ganze Land.
Der US-amerikanische Autor Charles Fort (1874–1932) sammelte und erforschte 27 Jahre lang rätselhafte Fakten, Ereignisse und Entdeckungen. Er verstand seine Arbeit
als Angriff auf eine Wissenschaftlichkeit,
die ausschliesst, was nicht in ihr positivistisches Weltbild passt. «Das Buch der Verdammten» heisst eines der vier von Charles Fort veröffentlichten Bücher. Bei den Verdammten handelt es sich um Phänomene, die in wissenschaftlichen Zeitschriften zwar Erwähnung fanden, von der Orthodoxie aber ignoriert oder fadenscheinig wegerklärt wurden, wie eben dasjenige des Froschregens.
Dass es Frösche vom Himmel regnet, ist nämlich keineswegs eine Erfindung der Bibel. Über sogenannte Tierregen liegen historische Berichte und moderne Belege aus vielen Ländern vor, wie auf Wikipedia nachzulesen ist. Über der japanischen Präfektur Ischikawa regnete es im Juni 2009 Kröten und für Rakoczifalva in Ungarn sind am 18. und 20. Juni 2010 zwei Vorfälle belegt. Die Tiere, die am häufigsten niedergehen, sind angeblich Fische, Frösche und Vögel – in dieser Reihenfolge. Manchmal sollen die Tiere den Sturz überleben, was vor allem bei Fischen darauf hindeute, dass der Transportweg kurz gewesen sein müsse. Zeugen von Froschregen beschreiben die Tiere kurz nach dem Niedergang als erschreckt, aber ansonsten gesund. Des Öftern ist auch beobachtet worden, dass die Tiere gefroren oder gar vollständig in Eis gepackt auf die Erde getroffen sind.
Eine der «wissenschaftlichen» Erklärungen geht dahin, dass starke Winde über Wasser, zum Beispiel Wasserhosen, Fische oder Frösche aufgenommen und sie mehrere Kilometer entfernt haben niedergehen lassen. Dazu bemerkt Charles Fort, in einem solchen Fall müsste es – so, wie es sandige Gegenden gibt – schon einige besonders froschige Orte in Europa geben. Ansonsten man doch annehmen müsste, dass bei der ganzen Transaktion auch andere Lebewesen wie Kaulquappen oder Dinge wie Zweige oder Algen oder was auch immer mitgehen würden. Es gebe viel mehr Kaulquappen als Frösche. Es soll aber kein einziger Bericht über niedergegangene Kaulquappen vorliegen.
In imaginativeren Erklärungen regnet es die Tiere aus Paralleluniversen.
Das alles ist schon sehr merkwürdig und doch des Merkens nicht so besonders würdig, wenn man bedenkt, dass das Leben an sich merkwürdig ist. So rechnen sich moderne Physiker zur Erklärung unserer 3½-dimensionalen Lebenswelt (dreieinhalb deswegen, weil wir uns in der vierten Dimension, der Zeit, nicht bewegen können) bis zu elf Dimensionen hoch.
Gemessen an diesen Mystikern unseres technologischen Zeitalters sind heutige Philosophen weit weniger ambitiös. Sie nehmen die Welt als factum brutum hin. In Heft 100 seiner Tagebuchhaltung inkorporiert in «Zeilen und Tage», notiert Peter Sloterdijk süffisant, das Unherleitbare werde im modernen Denken mit dem Wort Faktizität markiert. Es sei das Lieblingswort enttäuschter Systematiker. Früher habe man das Unableitbare im altehrwürdigen Begriff Schöpfung versteckt. Seitdem dieser fallengelassen worden sei, komme das brutum in facto in seiner ganzen Rohheit ans Licht. Daher: «Was wirklich ist, ist gerade nicht das Vernünftige.»
«Warum gibt es etwas, und warum gibt es nicht einfach nichts?», stellte der grosse Leibniz die Frage aller Fragen. Diese zu Herzen genommen ist wie eine Zigarette des Morgens auf nüchternen Magen zu schwarzem Kaffee. Es wird einem leicht trümmlig davon.