Die Innerschweiz scheint es ihm angetan zu haben – dem deutschen Theaterregisseur Volker Hesse. Zweimal das «Einsiedler Welttheater», zweimal Schillers «Wilhelm Tell» in Altdorf, die Eröffnung des Kulturhauses Südpol in Luzern mit Thomas Hürlimanns Stück «Stichtag» und das Freilichtspiel «Wetterleuchten» auf Tribschen am Vierwaldstättersee: Seit dem Jahr 2000 ist Volker Hesse in der Innerschweiz immer wieder fleissig engagiert.
«Ich wurde in die Innerschweiz gelockt», sagt Hesse – vom Schriftsteller Thomas Hürlimann fürs erste Welttheater. Hier hat er ein neues Betätigungsfeld gefunden, nämlich vornehmlich mit Laien zu arbeiten. An der Innerschweiz schätzt der 70-jährige Deutsche, aus dem katholischen Hunsrück in Rheinland-Pfalz gebürtig, «das Katholisch-Konservative, an dem man auch kratzen kann, der Sinn für Rituale, fürs Komische auch, wie es sich besonders an der Fasnacht manifestiert», wie er im Gespräch mit dem kulturtipp sagt.
Wenn er mit Laien in der Innerschweiz inszeniert, kann Volker Hesse auf die lange Spieltradition lokaler Theatergesellschaften bauen. «Ich arbeite sehr gerne mit Laien», erklärt Hesse. Laien können auf der Bühne «oft mit einer Frische und Unmittelbarkeit erzählen, wie es, bei aller Komplexität der Kunstmittel, auf einer professionellen Bühne so unmittelbar nicht möglich ist», sagt der Regisseur. Denn Laien können aus einem anderen Erfahrungsschatz schöpfen, wie es professionelle Schauspieler nicht immer könnten.
Auf «King Kongs Töchter» gemünzt, heisst das: Das Stück wird deshalb auf professionellen Bühnen kaum (mehr) gespielt, weil mit den Ensembles nur schwerlich eine sinnvolle Besetzung zustande kommt. Anders in Stans: «Wir haben den Reichtum, elf Persönlichkeiten auf der Bühne zu haben, die zum Teil sehr alt sind. Sie können mit der Aura ihrer Lebensspuren auf die Bühne gehen. Und sie haben eine Eigenart, die man erst mit 80 oder 90 Jahren bekommt. Gleichzeitig sind sie noch so wach, dass sie mit ihrer Identität gestalterisch umgehen können.»
Ventil für Frustgefühle
Schauplatz im Stück «King Kongs Töchter» ist ein Alters- und Pflegeheim, in dem die drei Titelfiguren, die Pflegerinnen Berta, Carla und Meggie, tödliche Rituale praktizieren. Als Ventil für ihre Frustgefühle und ihre Überforderung im Beruf machen sie sich ein morbid-makabres Spiel daraus, ab und an Heimbewohner wie Hollywood-Stars zurechtzumachen – und sie dann zu töten. «Ein Stück über drei fidele Massenmörderinnen» schrieb das Fachmagazin «Theater heute» 1998 anlässlich der Uraufführung. «Der Tod ist ein Termin» – «Und wir sind die Chefdisponentinnen», heisst es an einer Stelle im Stück. Es zeigt Demenz und Zerfall, die Heimbewohner treten mit ihren Ängsten, Aggressionen und ihren Sehnsüchten auf.
Das Stück will nicht dokumentarisch oder realistisch sein, will keine Alltagssituationen abbilden. Volker Hesse nennt es eine Groteske, «ein spielerisches Stück, das mit viel Fantasie mit dem Thema umgeht und mit Übertreibungen arbeitet».
Alltagsdeutsch sei nicht zu hören. Theresia Walser habe, so Hesse, in «King Kongs Töchter» versucht, «die Abgründe und Fatalitäten in eine scharf konturierte Sprache zu fassen», mit einer grimmigen Komik: «Das ist eine Kunstsprache; sie schafft eine eigene Wirklichkeit.» Aber das Stück soll dazu anregen,
über die überalterte Gesellschaft nachzudenken.
Thema ist präsenter
Volker Hesse hat «King Kongs Töchter» schon einmal inszeniert. Als Allererster: Er war damals Co-Leiter im Theater Neumarkt Zürich und verantwortete 1998 die dortige Uraufführung des Stücks. Unterschiede zu heute? «Das Thema ist heute in einem breiteren Bewusstsein als damals, als man sich noch nicht so sehr damit auseinandersetzte – sei es in Büchern oder im Film.» Man denke etwa an Frank Schirrmachers «Das Methusalem-Komplott» (2004) über die Vergreisung der Gesellschaft, Arno Geigers Buch über seinen dementen Vater («Der alte König in seinem Exil») oder an einen Film wie Michael Hanekes «Amour». Da tötet ein gutsituierter Pariser aus Mitleid seine über alles geliebte Frau, die zu einem schweren Pflegefall geworden ist.
Jetzt inszeniert Volker Hesse «King Kongs Töchter» «etwas freier», als er es vor 18 Jahren tat. Und eben: Er tut es mit Laien, wobei er betont, dass sich mehrere Ensemble-Mitglieder in Stans auf semiprofessionellem Niveau befinden.
Theaterautorin Theresia Walser
Die Autorin des Stücks «King Kongs Töchter» ist eine Tochter des Schriftstellers Martin Walser. Geboren wurde sie 1967 in Friedrichshafen. Vor ihrer Schauspielausbildung in Bern arbeitete sie ein Jahr in der Alterspflege. «King Kongs Töchter», Walsers drittes Bühnenstück, wurde 1998 am Theater Neumarkt in Zürich uraufgeführt. Regie führte auch damals Volker Hesse. Im selben Jahr wurde Theresia Walser in der Kritikerumfrage der Zeitschrift «Theater heute» zur Nachwuchsautorin des Jahres gewählt, 1999 zur besten deutschsprachigen Autorin.
King Kongs Töchter
Schauspiel von Theresia Walser
Übersetzung: Jana Avanzini
Regie: Volker Hesse
Premiere: Sa, 24.1., 20.00 Theater Stans NW
Infos: www.theaterstans.ch