Halleluja, so haben sich Theo und Bernhard ihre Aufführung zur Weihnachtsgeschichte nicht vorgestellt! Mit Elan haben sie sich in das Krippenspiel gestürzt, in dem sie alle Rollen von Maria und Josef bis zum Esel zu zweit meistern – und dann läuft so ziemlich alles schief, was schieflaufen kann. Die beauftragte Opernsängerin Frau Timm, die Friedrich Händels Messias-Oratorium singen soll, wurde in der U-Bahn als Schwarzfahrerin erwischt und erscheint viel zu spät. Zahlreiche Textstellen sorgen für hitzige Diskussionen zwischen Theo und Bernhard, und über die Darstellungsform des Krippenspiels können sie sich schon gar nicht einig werden. Ein Desaster folgt dem anderen, Chaos pur.
Weihnachtsklassiker
Barlows Theaterstück «Der Messias» steht in der Tradition der englischen Boulevardkomödie im Stil von Michael Frayn. Nach der Uraufführung 1988 im Theater Basel wurde es weltweit zu einem Weihnachts-klassiker. Nicht nur dem Publikum bereitet die Komödie Spass: Sichtliches Vergnügen haben auch die beiden Hauptdarsteller Matthias Albold (Theo) und Christian Hettkamp (Bernhard) bei ihren Rollenwechseln, wie beim Probeneinblick zu sehen ist. In Sekundenschnelle geht der Wechsel von Maria zum Engel Gabriel vonstatten.
Rollenspiele
Immer wieder fallen die beiden selbst ernannten Schauspieler Theo und Bernhard aus ihren Rollen und geraten in Streit über Kleinigkeiten. So meint Theo etwa mitten im Spiel: «Sag mal, diese Namen sind doch nicht authentisch! Vinzibus und Pinzibus sind keine echten römischen Namen.» Worauf Bernhard grantig zurückgibt: «Ich hatte nie Latein. Ich wollte immer Balletttänzer werden.»
«Spannend sind für uns die drei Ebenen: Wir als Matthias und Christian mimen die beiden Laienschauspieler Theo und Bernhard, die sich wiederum in ihre verschiedenen Rollen versetzen müssen», sagt Christian Hettkamp. «Wie würde Bernhard die Rolle von Maria anlegen, welche Vorstellung hat er von Theater?», fragt er sich beim Spiel jeweils. Der junge deutsche Regissseur Stefan Kraft setzt diese Querelen von Theo und Bernhard ins Zentrum seiner Inszenierung: «Die beiden haben so viele Ideen und Utopien, wie man das Krippenspiel machen könnte, verkrampfen sich dabei aber derart, dass alles schiefläuft.»
In der Komödie des britischen Autors Barlow sieht Kraft vor allem eine Analogie zu den familiären Weihnachtsessen: Die Anstrengungen, die für einen gelungenen Abend unternommen werden, der verzweifelte Zwang, zu feiern – und am Schluss bricht statt Besinnlichkeit ein Streit um den Weihnachtsbraten aus.
Bekanntes aufzeigen
«Es geht mir um das Menschliche an Weihnachten – die Möglichkeit, an gewissen Vorstellungen zu scheitern.» Schauspieler Albold ergänzt: «Jeder kennt das Zelebrieren von Familie, das zum weihnächtlichen Ritual gehört – und jeder kennt das Chaos, das daraus entstehen kann.»
Händel als Kontrast
Einen wichtigen Stellenwert nimmt in Krafts Inszenierung die Musik ein: Mit Angela Fout spielt eine «echte» Sopranistin die Rolle der Opernsängerin Frau Timm, die das Messias-Oratorium singt. «Händels Musik hat eine Heiligkeit, die wunderbar als Kontrast zu Theos und Bernhards Desaster funktioniert.» Sie diene aber auch als Ergänzung, denn «es blitzen im naiven Umgang mit der Weihnachtsgeschichte ab und zu fast heilige Momente auf: Etwa in Szenen, in denen die beiden ein Problem gelöst haben oder an etwas scheitern».
Peter Nolles Bühnenbild in der Lokremise ist ein Abbild davon, wie sich Theo und Bernhard ein romantisches kleines Theater vorstellen. Das Säulenportal darf genauso wenig fehlen wie der Wagnervorhang. Immer wieder wird die Illusion gebrochen, etwa wenn die Zuschauer hinter den Kulissen die sich schminkende Opernsängerin sehen.
Publikum spielt mit
Sogar das Publikum übernimmt seinen Part. In einer Szene etwa, bei der sich Regisseur Kraft vom Komikerduo «Ohne Rolf» inspirieren liess, können die Zuschauer von Plakaten ihre Bühnensätze ablesen und als Störfaktor fungieren. «Einen Plan B, falls das Publikum nicht richtig mitmacht, haben wir nicht», meint Albold. Aber mit Pleiten und Pannen müssen Theo und Bernhard ja sowieso den ganzen Abend kämpfen. Unvorhergesehenes lässt sich mit Improvisation also ganz unauffällig ins Spiel integrieren.
«Früher war mehr Lametta»
Dem alljährlichen Weihnachtsfest in trauter Familienrunde lässt sich manchmal nur mit Humor beikommen. Davon zeugen nicht nur Patrick Barlows Theater-Klassiker «Der Messias», sondern auch etliche Film- und Theaterkomödien. Kugeln vor Lachen lässt es sich etwa bei Loriots Sketch «Weihnachten bei Hoppenstedts», der über die Festtage auf zahlreichen TV-Sen-
dern läuft.
Unvergesslich bleibt Opas Einkauf im Spielzeugladen, wo er nach absurden Diskussionen, ob das Enkelkind nun ein Junge oder ein Mädchen ist, einen Baukasten kauft. Ein Baukasten, der es in sich hat, wie sich später herausstellt: «Wir bauen uns ein Atomkraftwerk» heisst es auf der Packung, die Brennkammer und Uranstab enthält. Und «Puff» gibt es nicht nur beim weihnächtlichen Zusammensitzen unter dem Christbaum, «Puff» macht schliesslich auch das Atomkraftwerk en miniature.
Aber vorher schreit Opa Hoppenstedt in die verkrampfte Runde immer mal wieder den legendären Satz «Früher war mehr Lametta!». Und statt der besinnlichen Weihnachtsmusik lässt er aus seinem geschenkten Plattenspieler lieber lautstark Marschmusik dröhnen.