Ein selbstgefälliger Cowboy hat sich am Tresen niedergelassen: «Ernst Schlumpf. Der Haubitzen-Schlumpf. Ich besitze eine Maschinenfabrik in Belzendorf. Eine Waffenfabrik», stellt sich der Möchtegern-Macho vor. Es geht nicht lange, und er bandelt mit der ganz in Rot gekleideten, feurigen Doña Inez auf dem benachbarten Barhocker an. Eine Flasche Champagner bringt die beiden einander näher, bald nennt Doña Inez ihren Verehrer vertraulich «Schlumpfi».
Hilfsaktion
Unlautere Ziele haben beide: Denn Doña Inez heisst eigentlich schlicht Frieda und braucht Geld. Und Waffenfabrikant Schlumpf ist zwar ein schmieriger Typ, aber nicht auf den Kopf gefallen: «Nun, was hast du mir Schönes zu beichten, mein Käfer?», fragt er schon bald. Als er ihre Geschichte hört, wittert er seine Chance: «Schön, die Lage wäre sondiert, nun kann die Hilfsaktion gestartet werden.» Die Hilfsaktion besteht darin, dass sich die beiden vermeintlichen Turteltauben auf 9000 Franken einigen und zusammen ins Hotel abziehen.
Durchwegs korrupt
Mit sichtlichem Spass geben sich Jonathan Loosli als Waffenfabrikant Schlumpf und Sophie Hottinger als Frieda auf der Probebühne in Bern in ihre Rollen
als zielstrebige Profiteure. Denn profitorientiert und durch und durch korrupt sind in Dürrenmatts musikalischer Komödie «Frank V.» alle. Ins Zentrum stellt Dürrenmatt eine Privatbankdynastie mit Frank V. (Stefano Wenk) an der Spitze. Aktienschwindel, Bilanzfälschung und sogar die Ermordung von Störenfrieden sind bei ihnen an der Tagesordnung. «Von uns wurde noch nie ein ehrliches Geschäft abgewickelt», bringt es die Bankergattin Ottilie (Henriette Cejpek) auf den Punkt. Als sie erpresst werden und der ganze Schwindel aufzufliegen droht, beschliesst das Ehepaar kurzerhand, zum Schein zu sterben und die Lebensversicherung einzukassieren – als Leiche muss selbstredend ein anderer herhalten.
Der Zeit voraus
Dürrenmatts Stück ist bitterböse, wie man es vom Meister der Groteske kennt. Mit seinem bankenkritischen Stück «Frank V.» hat er bereits 1959 ein Thema angesprochen, das heute aktueller ist denn je. An der Uraufführung im Schauspielhaus Zürich kam es bei der Kritik allerdings nur mässig an und wurde als eines seiner weniger durchdachten Werke bezeichnet. Zur Kritik äusserte sich Dürrenmatt damals lapidar: «Es wurde behauptet, Menschen, wie ich sie im ‹Frank› zeige, gebe es einfach nicht. Der Autor als Beobachter der Menschen und seiner selbst, ist sich dessen nicht
so sicher.» Claudia Meyer, die im Konzerttheater Bern bei «Frank V.» Regie führt, findet: «Dürrenmatt hatte mit seinem Stück einen Riecher, er war seiner Zeit voraus.»
«Dallas» lässt grüssen
Ihre Inszenierung siedelt sie ausserhalb der Schweiz an, die Themen seien schliesslich global: «Die Krise kommt aus Amerika, wohin wir das Stück versetzt haben. Damit wollen wir der Kritik von Dürrenmatt eine noch grössere Schärfe geben.» Das Anwesen der Bankerfamilie – Swimmingpool und Bar inklusive – bildet den Hintergrund. Die Kostüme erinnern an die 80er, als die US-Serie «Dallas» auf allen Kanälen lief. Durchaus beabsichtigt, wie Meyer sagt. Geld und Macht sind auch in der Öl-Dynastie von «Dallas» die Antriebskräfte der Menschen.
In den 60ern wurde Dürrenmatts «Frank V.», das er mit dem Untertitel «Oper einer Privatbank» versehen hat, allerdings vor allem mit Brechts «Dreigroschenoper» verglichen. Die formalen und thematischen Parallelen sind gut erkennbar, auch wenn Dürrenmatt diese stets bestritten hat.
Ein falsches Spiel
Die Musik bleibt ein wichtiger Bestandteil: Dürrenmatt hatte diese dem «O-mein-Papa»-Komponisten Paul Burkhard übergeben. In Meyers Inszenierung werden Pianist Michael Wilhelmi, Gitarrist Michael Frei und Cellistin Kathrin Bögli die Darsteller musikalisch begleiten. «Meist flüchten sich die Figuren in dem Moment ins Singen, wenn sie ihre Gefühle verdecken wollen», sagt Meyer.
Dies wird in «Frank V.» oft der Fall sein, denn ein falsches Spiel spielt hier fast jeder. Der Waffenfabrikant Schlumpf und seine Eroberung Frieda sind zwei geradezu harmlose Beispiele. Scheinheilig benehmen sich allen voran die beiden Kinder von Frank V. und Ottilie, die doch eigentlich gut versorgt in einem Internat auf ein rechtschaffenes Leben vorbereitet werden sollten. Sie sind es nämlich, welche die Eltern erpressen und schliesslich die «Gangsterbank» in der sechsten Generation nicht minder kriminell weiterführen.