Bühne: In Traumwelten versinken
Regisseur Nicolas Charaux inszeniert am Luzerner Theater E.T.A. Hoffmanns Schauergeschichte «Der Sandmann». Er nimmt das Publikum mit auf eine Reise zu den Urängsten der Menschheit.
Diesen Sandmann wünscht sich niemand ans Bett: E.T.A. Hoffmann kreierte 1816 eine schauerliche Gestalt, die unartigen Kindern Sand in die Augen wirft, sodass diese «blutig zum Kopf herausspringen». Anschliessend verfüttert der böse Mann die Augen seinen «Kinderchen», die sie mit ihren Schnäbeln aufpicken. Kein Wunder, hat diese von der Amme erzählte «Gutenachtgeschichte» bei E.T.A. Hoffmanns Protagonist Nathanael eine...
Diesen Sandmann wünscht sich niemand ans Bett: E.T.A. Hoffmann kreierte 1816 eine schauerliche Gestalt, die unartigen Kindern Sand in die Augen wirft, sodass diese «blutig zum Kopf herausspringen». Anschliessend verfüttert der böse Mann die Augen seinen «Kinderchen», die sie mit ihren Schnäbeln aufpicken. Kein Wunder, hat diese von der Amme erzählte «Gutenachtgeschichte» bei E.T.A. Hoffmanns Protagonist Nathanael einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Der Autor zeichnet ihn als labilen jungen Mann. Als er dem Wetterglashändler Coppola begegnet, der ihn an den gefürchteten Sandmann gemahnt, kommen die Erinnerungen wieder hoch. Nathanael versinkt in düsteren Traumwelten. Auch seine besonnene Freundin Clara kann nicht vermeiden, dass er in den Wahn abrutscht. In der Liebe zu Olimpia glaubt Nathanael seine Rettung zu finden. Doch auch das ist nur eine Täuschung, denn Olimpia ist in Wahrheit ein Automat in Frauengestalt …
Angst vor dem Unbekannten
Der französische Regisseur Nicolas Charaux nimmt sich der Erzählung für das Luzerner Theater an und stellt die «menschliche Urangst» ins Zentrum seiner bildhaften Inszenierung: «Es geht um die Angst, welche die Sinne erregt, die Vernunft betrügt und die Fantasie befruchtet. Die Angst vor dem, was man nicht sieht, nicht kennt, nicht begreift.» Diese Urangst sei wohl auch verantwortlich für den Aufstieg von radikalen und populistischen Parteien in Europa, fügt er an.
Charaux zeichnet Nathanael als Narzissten, «der sich in sich selbst verliebt und verliert». Traum und Realität verschwimmen auf der Bühne, «Wesen mit unheimlichen grossen Köpfen» geistern durch die Traumwelten. David Lipp wird das Stück musikalisch begleiten – mit alltäglichen Geräuschkulissen und mit Wagners «Tristan und Isolde». Charaux hebt die Gemeinsamkeiten von Tristan und Nathanael hervor: «Die zwei romantischen Helden teilen vieles: die Anziehung für die Nacht und die Unmöglichkeit, mit der sichtbaren Welt zu leben.»
Der Sandmann
Premiere: Do, 6.12., 19.30
Luzerner Theater