Unter anderen Umständen», so heisst das Stück, das bald im Theater Konstanz uraufgeführt wird. Einerseits spricht man so über eine schwangere Frau, andererseits kann der Satz Teil eines schuldgetriebenen Gedankenkarussells sein, das sich nach einer Totgeburt im Kopf der Eltern zu drehen beginnt. Susanne Frieling führt Regie und hat den Text gemeinsam mit Florian Schaumberger geschrieben. Eine Freundin von ihr hatte im sechsten Monat eine stille Geburt, erzählt sie.
«Da merkte ich: Für die Trauer um tot geborene Babys fehlt das soziale Werkzeug.» Freunde und Bekannte seien mit der Nachricht überfordert, weil Wissen fehle. Ab der 22. Schwangerschaftswoche und einem Geburtsgewicht von 500 Gramm spricht man von einer Totgeburt, vorher von einer Fehlgeburt. Frieling wollte zuerst beides in einem Stück behandeln. Da die gesellschaftlichen Dynamiken bei einer sichtbaren Schwangerschaft anders sind, legte sie den Fokus auf Totgeburten.
Anlehnung an starke Frauen aus der Antike
Während der Recherche führte Frieling viele Interviews mit betroffenen Eltern. «Normalerweise habe ich einen langen Fragenkatalog, aber den brauchte es nicht», sagt sie. «Oft hat die erste Frage genügt, um die Eltern ins Erzählen zu bringen. Das Redebedürfnis war riesig.» Aus den Interviews hat sie die Geschichte eines Paars zusammengesetzt, das eine Totgeburt durchmacht.
So begleitet das Publikum die Figuren Hanna und Kaspar durch eine fiktive Erfahrung mit wahren Einzelhintergründen. «Ich habe lange überlegt, wie ich dieses Thema auf die Bühne bringen kann und habe schliesslich viele Übereinstimmungen mit den starken Frauen in antiken Tragödien gefunden», sagt die Regisseurin. Antigone, Medea oder Elektra hadern ebenfalls mit ihren von den Göttern auferlegten Schicksalen. Die Figur Hanna lehnt sich an diese Frauen an.
Dies ist nicht das einzige antike Element: Ein Chor begleitet das Drama. Die zehn Darstellerinnen haben sich auf einen Aufruf im Stadtensemble gemeldet. Sie spielen neben der chorischen Gesellschaft auch Hebamme, Schwester, Freundin oder Bestatterin. «Es war mir wichtig, dass es kein Kammerspiel zwischen den Eltern wird. Ich will zeigen, dass Totgeburten mehr Menschen betreffen.»
Ohne Humor kann man kaum darüber nachdenken»
Frieling sagt, sie sei sich bewusst, dass ihr Stück bei einigen Zuschauerinnen oder Zuschauern alte Wunden aufreissen kann. Diese könnten deshalb zu jeder Zeit den Saal verlassen und wieder reinkommen. «Es wird kein leichter Theaterabend», sagt sie. «Trotzdem bin ich überzeugt, dass dieses Thema auf die Bühne passt, weil man nirgends so gut Empathie lernt wie im Theater.»
Trotz aller Schwere gebe es in «Unter anderen Umständen» lustige und leichte Momente. «Ohne Humor lässt sich kaum über ein solches Thema nachdenken.» Sie wolle auch keine Angst vor dem Kinderkriegen schüren. Im Jahr 2022 kamen laut Bundesamt für Statistik etwa 4 von 1000 Säuglingen tot zur Welt. Es bleibt eine Ausnahme. Im Umgang mit betroffenen Eltern hat Frieling einen Tipp: «Anerkennen, dass sie Eltern sind.
Das ist das wichtigste und primäre Bedürfnis.» Von Sprüchen wie «beim nächsten Mal klappts bestimmt» rät sie dringend ab. «Für die Eltern handelt es sich nicht um einen gescheiterten Versuch, sondern um den Verlust eines Menschen.»
Unter anderen Umständen
Uraufführung: Sa, 6.4., 20.00
Spiegelhalle Theater Konstanz (D)