Bühne: Entlarvender Aussenblick
Afghanische, syrische und palästinensische Schauspieler des Berliner Exil Ensembles laden im Schauspielhaus Zürich auf eine tragikomische «Winterreise» durch Deutschland und die Schweiz.
Inhalt
Kulturtipp 20/2017
Babina Cathomen
Die Realität macht dem deutschen Schauspieler Niels Bormann einen Strich durch die Rechnung: Auf einer zweiwöchigen Busreise Anfang dieses Jahres durch deutsche Städte mit einem Abstecher nach Zürich will er seinen fünf jungen Schauspielkollegen aus Afghanistan, Syrien und Palästina das Gastland näherbringen. Von Gastfreundschaft ist allerdings nichts zu spüren, als der Bus in Dresden einfährt: Eine Pegida-Demonstration ist in vollem Gang. W&a...
Die Realität macht dem deutschen Schauspieler Niels Bormann einen Strich durch die Rechnung: Auf einer zweiwöchigen Busreise Anfang dieses Jahres durch deutsche Städte mit einem Abstecher nach Zürich will er seinen fünf jungen Schauspielkollegen aus Afghanistan, Syrien und Palästina das Gastland näherbringen. Von Gastfreundschaft ist allerdings nichts zu spüren, als der Bus in Dresden einfährt: Eine Pegida-Demonstration ist in vollem Gang. Während sich Reiseleiter Niels in Erklärungsnöten windet, versuchen sich die Flüchtlinge einen Reim auf antiislamische Parolen wie «Kartoffeln statt Döner» oder «Fatima Merkel» zu machen. «Ich wusste gar nicht, dass Merkel Muslima ist», meint einer.
Der Humor kommt in der Inszenierung «Winterreise» der israelischen Regisseurin Yael Ronen nicht zu kurz. Auch die Sitten der Einheimischen sorgen für Erheiterung: Etwa wenn sich die Palästinenserin Maryam Abu Khaled über das seltsame Paarungsverhalten und die unverbindlichen, polyamourösen Beziehungen in Berlin wundert. Komik und Schrecken liegen nahe beieinander. Die Schauspieler reflektieren ihre Erfahrungen im Exil genauso wie ihre aufreibenden Odysseen, die sie hinter sich haben.
Für «Winterreise» haben das Maxim Gorki Theater in Berlin und das Schauspielhaus Zürich zusammengespannt. Das neu gegründete Exil Ensemble feierte in Berlin Uraufführung und geht nun in den Städten auf Tournee, die es auf ihrer Busreise besucht hat. Mit Stilmitteln wie Schauspiel, Gesang, Tanz und Kunst kehrt die multikulturelle Truppe den Spiess für einmal um: Die Geflüchteten werden nicht ausgefragt, sondern stellen selbst die Fragen, um sich dem fremden Land anzunähern. Während Niels Bormann ihnen ein Deutschland und eine Schweiz fernab von Klischees zeigen will, entlarven die im Exil lebenden Schauspieler durch ihre Aussensicht manche hiesigen Verhaltensweisen.
Winterreise
Premiere: Sa, 16.9., 20.00
Schauspielhaus Zürich