David Pountneys Poschettli sitzt perfekt, seine Augen funkeln, lei- denschaftlich spricht er über seine Pläne. Der Intendant der Bregenzer Festspiele ist guten Mutes. Kein Wunder: Die (Opern)Welt schaut bereits vor der Premiere gebannt auf seine Seebühne, erkennt man dort doch die gewaltige Reproduktion des Kopfes des Jakobiners Jean Paul Marat – 1793 in der Badewanne ermordet und sogleich von Jacques-Louis David gemalt. Zwei weitere Köpfe werden zum Schluss von Umberto Giordanos «André Chénier» über die Bühne rollen. Der Revolutions-Opernthriller endet tragisch.
Show gehört dazu
Auf «Aïda»-verwöhnte Bregenz- Gäste, die nun «André wer?» fra- gen, sind die Festspielmacher vorbereitet. Man will mit Giordanos «André Chénier» bewusst die Grenzen des Seebühnen-Repertoires kennenlernen, will wissen, wie wichtig für das Publikum, das nur aus einem Drittel von Opernkennern besteht, Werktitel sind. Bedenken betreffend «André Chénier» wären verfehlt: Ständig ist da Aktion – mitsamt Ball- und Gefängnisszenen, Revolutionswirren, Liebe und Leidenschaft. Und zum Schluss saust die Guillotine runter.
Liess man «Aïda» und «Trovatore» in den letzten Jahren überaus modern spielen, geht man nun etwas vorsichtiger vor. Mit einem romantischen Bühnenbild und historischen Kostümen gibt es populäre Zutaten für eine weniger populäre Oper. Da steht man in Bregenz dazu, dass zur Seebühne die Show hinzugehört. Allein für das Spiel auf dem See sollen 150 000 Karten verkauft werden, insgesamt – mit Konzert, Theater und Oper auf dem Land – fast 200 000.
Deswegen ist es kein Zufall, dass Pountney mit Regisseur Keith Warner und Bühnenbildner David Fielding erneut auf ein angelsächsisches Regieteam setzt. «Nicht, dass die besser wären, aber es gibt in ihrer Welt keine Trennung zwischen Showbusiness und Kultur.» Er weist darauf hin, dass man durchaus ein durchdachtes Konzept suche, aber es müsse eines sein, das pro Abend 7000 Leute anspricht. Dazu braucht man ein bestimmtes Flair. «Viele deutsche Regisseure finden es peinlich, wenn man erfolgreich Showbusiness macht. Diese Angst darf ein Regisseur hier nicht haben.»
Anstatt fast vergessene Werke aus dem 20. Jahrhundert zu spielen, hat der Brite für seine letzten drei Jahre drei Uraufführungen bestellt – Auftragswerke, bewusst für Bregenz konzipiert. Den Komponisten wurden Vorgaben betreffend Besetzung oder Länge gemacht. «Wir sind kein Ghetto für Neue Musik», so Pountney. Mit den Komponisten wurde daher über die Notwendigkeit gesprochen, etwas zu schaffen, was ein normales Opernpublikum anspricht. «Die Festspielhausbühne ist der falsche Ort für ein avantgardistisches Experiment. Wenn wir hier moderne Werke präsentieren, dann publikumsfreundliche. Vor 20 Jahren hätte ein solcher Satz das Todesurteil des Intendanten bedeutet. Ich aber schäme mich nicht dafür.»
Pountney steht dazu, dass er als Auftraggeber die Grenzen der Komposition aufzeigen darf. Es sei eine romantische Idee, dass jeder Komponist frei sein müsse und verlangen dürfe, was er wünsche. Er bekennt allerdings, dass er nicht bei einem Karlheinz Stockhausen hätte anklopfen können. «Wer von ihm ein Stück wollte, musste sagen: Du hast freien Raum, ich versuche, alles für dich zu realisieren.» Pount- ney ist einen anderen Weg ge- gangen. Der Aufsichtsrat steht dahinter. Wenigstens noch für drei Jahre. Gespannt wartet man nun auf die Uraufführung von Judith Weirs «Achterbahn».
Manch einer nennt das Bregenzer Programm mutig. Nicht so Pountney. «Festspiele, die keinen Mut zeigen, sind ihren Namen nicht wert, das ist Tourismus.» Natürlich gibt es auch in Bregenz Leute, die Festspiele dieser Art begrüssen würden. Ihnen entgegnet er: «Wer den Namen ‹Festspiele› trägt, muss das Besondere an einem besonderen Ort präsentieren.»